Zwangsbeglückung: Eine Schlichtung für die
AK?
Von Wilderich v. Fürstenberg
Unsere Verfassung überlässt es den Kir-chen, die Arbeitsbedingungen
ihrer Beschäftigten selbst zu regeln. Ein Träger dieser Regelungsbefugnis
ist die Arbeitsrechtliche Kommission des Deutschen Caritasverbandes.
Deren Ordnungsgeber, der Zentralrat, hat eine "Arbeitsgruppe zur
Struktur und Arbeitsweise der Arbeitsrechtlichen Kommission" eingesetzt
und sie gebeten, die Rechtsordnung der AK zu überarbeiten und einen
Entwurf für eine veränderte Ordnung der Kommission vorzulegen.
In diesen Entwurf sollen die bisherigen Beratungen der Arbeitsgruppe
und die Stellung-nahme der AK einfließen.
Vermittlungsverfahren
Als eines der umstrittensten Beratungsthemen hat sich die Frage herausgestellt,
ob nach gescheiterten AK-Beschlüssen ein formelles Vermittlungsverfahren
vorgesehen werden müsste. Nach der aktuell gültigen Ordnung
der Arbeitsrechtlichen Kommission gilt:
Stimmt die Hälfte der Kommissionsmitglieder einem Antrag zu (er
ist damit abgelehnt), kann sie den Ältestenrat anrufen; er hat
auf eine gütliche Einigung hinzuwirken, kann aber keine Entscheidung
erzwingen.
An der Eingangsfrage, ob das Beschlussverfahren der AK überhaupt
des "Geburtshelfers Schlichtung" bedarf, scheiden sich bereits
die Auffassungen.
Schlichtungsziel
Gegenstand einer Schlichtung sind Streitigkeiten zwischen der Dienstgeber-
und der Dienstnehmerseite über den Inhalt zukünftiger Arbeitsrechtsregelungen.
Im außerkirchlichen Bereich lotet Schlichtung die Möglichkeiten
aus, bestehende Interessengegensätze auszugleichen. So sollen die
Nachteile vermieden werden, die mit einem Arbeitskampf für das
Gesamtwohl und für beide Seiten verbunden sind. Derartige Nachteile
sind für Caritasdienstgeber und Caritasmitarbeiter dann nicht zu
befürchten, wenn sich die Rechtsauffassung der Kirchen bestätigen
sollte, die von ihnen praktizierte Dienstgemeinschaft sowie Wesen und
Auftrag der Kirche schlössen Streik und Aussperrung zur Lösung
von Streitigkeiten zwischen Dienstgebern und Dienstnehmern aus. Drohen
weder Streik noch Aussperrung, fehlt der AK ein im Vergleich zum nichtkirchlichen
Bereich gewichtiges Schlichtungsziel. Das Ziel der AK-Schlichtung reduziert
sich darauf, ein Ergebnis zu erreichen, das die bestehenden Regelungen
ersetzt.
Inhalt des Schlichtungsverfahrens
Von Dienstgeberseite kommt der Vorschlag, eine mögliche Verweigerungshaltung
der Kommission (gemeint ist vermutlich allein die Verweigerung der Dienstnehmerseite
bei Lohn absenkenden Beschlüssen) durch ein "eigenständiges
modifiziertes zweistufiges Zwangsschlichtungsverfahren" aufzulösen.
In der ersten Stufe soll der Schlichter unter Hinzuziehung von Kommissionsmitgliedern
und Externen prüfen, ob und bis zu welchem Zeitpunkt ein Änderungsbedarf
für die Arbeitsvertragsrichtlinien vorliegt. Wird dies bejaht,
und kommt die AK innerhalb einer gesetzten Frist zu keinem entsprechenden
Beschluss, soll in einer zweiten Stufe eine sog. Zwangsschlichtung stattfinden,
deren Ergebnis als Beschluss der AK gilt. Die Kommission soll diesen
"Beschluss" mit drei Viertel Mehrheit aufheben oder ersetzen
können. Zweifellos könnte ein solchermaßen gestaltetes
Verfahren Korrekturen der AVR erleichtern.
Zunächst also soll die Schlichtung eine Entscheidung darüber
herbeiführen, ob die Arbeitsvertragsrichtlinien einer korrigierenden
Änderung bedürfen. Obgleich die Formulierung "bedürfen"
nahe legt, es sei über eine notwendige, über eine unabweisbare
Änderung zu befinden, handelt es sich in Wirklichkeit um eine reine
Zweckmäßigkeitsentscheidung. Ohne Änderung dauern nämlich
die bestehenden Regelungen der AVR fort, es besteht somit keine Lücke,
die auszufüllen wäre. Die in der ersten Stufe von der Schlichtung
zu treffende Entscheidung ist identisch mit den "Ja oder Nein -
Entscheidungen", wie sie regelmäßig von der AK zu treffen
sind. Für derartige Veränderungen fordert die Ordnung der
AK aber eine drei Viertel Mehrheit. Soll dieses für den Dritten
Weg grundlegende Prinzip aus Opportunitätsüberlegungen preis-gegeben
werden?
Kritik der Dienstnehmerseite
Hier setzt die Kritik der Dienstnehmerseite an. Sie bestreitet die
Notwendigkeit, sich von Externen vorschreiben zu lassen, welche Beschlüsse
zu fassen seien. Sie verweist darauf, in den sechseinhalb Jahren seit
Inkrafttreten der jetzigen AK-Ordnung sei der Ältestenrat nie angerufen
worden. Das sei Beweis für die hohe Bereitschaft, sich auf zweckmäßige
Regelungen zu einigen. Die Fähigkeit zu pragmatischen Lösungen
habe sich bei der Einführung der Härtefallklauseln, der Notöffnungsklausel,
der Mobilzeit, der Langzeitkonten und der Modellprojekte erwiesen. Diese
Einigungsbereitschaft werde erheblich gemindert, wenn der Kommission
die Möglichkeit eröffnet werde, nicht gelöste Konflikte
auf eine Schlichtung abzuwälzen.
Auch künftige Streitigkeiten würden vom bereits bestehenden
Ältestenrat geklärt werden können, weil dessen Vorsitzender
neutral sei und daher die Gewähr dafür biete und auch in Zukunft
bieten würde, einen Konsens zwischen den Parteien zu finden. Es
sei zwar zutreffend, dass die Verfahrensvorschriften anderer arbeitsrechtlicher
Kommissionen eine verbindliche Schlichtung vorsähen. Die Schlichtungspraxis
dieser Kommissionen zeige aber, dass Entscheidungen durch ein derartiges
Verfahren nicht befördert, sondern eher verzögert werden.
Bei der Frage, ob Schlichtung nötig werden könne, dürften
diese Kommissionen nicht mit der AK verglichen werden, weil sie allesamt
nicht von unabhängigen Vorsitzenden geleitet würden.
Es stellt sich in der Tat die Frage, ob außen Stehende eher als
der mit der Materie bestens vertraute neutrale Vorsitzende davon zu
überzeugen vermögen, die AVR sollten geändert werden.
Wer externe Schlichtung fordert, unterstellt, es mangele dem Vorsitzenden
an zielführenden Eigenschaften und Überzeugungskraft. Diese
Einschätzung stützt den Vorschlag der Dienstnehmerseite, die
Kommission möge es doch wenigstens einmal mit ihrem Vorsitzenden
als Mentor versuchen. Hiergegen werden die Befürworter einer externen
Entscheidung einwenden, das Instrument Schlichtung wäre nur für
den Ausnahmefall gedacht. Es würde nicht schaden können, hierfür
vorzusorgen, um auf jeden Fall eine verbindliche Einigung sicherzustellen.
Eine solche Argumentation ließe außer Acht, dass auch ein
abgelehnter Beschluss das Ergebnis beinhaltet, die bestehenden Regelungen
seien unangetastet zu lassen, es gebe keinen Veränderungsbedarf.
Veränderungsbedarf?
Genau diesen Veränderungsbedarf für die Arbeitsvertragsrichtlinien
unterstellt die Dienstgeberseite und beruft sich darauf, die AVR würden
von nicht wenigen Einrichtungen als antiquiert, als zu teuer, als nicht
marktgerecht bezeichnet. Das müsse korrigiert werden, indem allgemeinverbindliche
Regelungen gebündelt, systematisiert und vereinfacht würden,
indem die Vergütungsregelungen einfacher und flexibler gestaltet
würden, in dem Weihnachts- und Urlaubsgeld einer Umverteilungsregelung
zugänglich gemacht würden und indem nicht marktkonforme Vergütungen
in den Wirtschaftsbereichen den marktüblichen angepasst würden.
Solche Korrekturen könnten nicht auf breite Zustimmung in der Kommission
setzen, insbesondere nicht auf Akzeptanz der Dienstnehmerseite. Daher
würden Schlichtungsverfahren unumgänglich werden.
Eine solche Betrachtungsweise setzt darauf, einen den eigenen Wünschen
geneigten, vermittelnden Dritten zu finden. Sie unterstellt, nur die
eigenen Vorstellungen seien zielführend für die künftige
Ausgestaltung der AVR, die entgegengesetzte Position hingegen nicht.
Diese Denkweise wird den komplizierten Regelungsgegenständen nicht
gerecht. Fasst die AK beispielsweise infolge einer Pattsituation keinen
Beschluss für eine Tarifabsenkung des hauswirtschaftlichen Bereichs,
werden beide Seiten diesen "Stillstand" als Rückschritt
bewerten, die einen wegen der Abkopplung der Beschäftigten von
der allgemeinen Einkommensentwicklung, die anderen wegen des Nichteinstiegs
in vermeintlich abzusenkende Vergütungsstrukturen. Andererseits
können wiederum beide Seiten für sich in Anspruch nehmen,
als unangemessen erachtete Schritte der anderen Seite verhindert zu
haben. Ein Fall für externe Schlichter?
Hier helfen nur veränderte Lösungsmuster, die nicht notwendig
von außen Stehenden vorgeschlagen werden müssen, wenn die
Beteiligten selbst sie wollen. Es ist zu erwartenen, dass entsprechender
Veränderungsdruck auf die Mitglieder der AK in ausreichendem Maße
von der jeweiligen Basis, den Einrichtungen resp. den Beschäftigten
ausgeübt werden wird. Denn weder Dienstgeber noch Mitarbeiter stehen
im Verdacht, die Verhältnisse vor Ort zu ignorieren.
Schlichtung als Wesenselement des Dritten Weges?
Ein Argument für die Notwendigkeit von Schlichtungsverfahren lässt
sich auch aus den diesbezüglichen Verfahrensvorschriften anderer
kirchlicher Kommissionen nicht gewinnen. Die Deutschen Bischöfe
haben zwar durch den Verband der Diözesen Deutschlands Entwürfe
vorlegen lassen, wie die Arbeitsweise kirchlicher Kommissionen zur Gestaltung
des Arbeitsvertragsrechts geordnet sein könnte. Diese Entwürfe
sehen verbindliche Schlichtungsverfahren vor, die auch in den jeweiligen
Ordnungen verankert wurden. Hieraus kann aber nicht ohne weiteres gefolgert
werden, auch die Ordnung der AK müsse zwingend ein Schlichtungsverfahren
ermöglichen. Die Bischöfe verweisen in ihrer Erklärung
zum kirchlichen Dienst darauf, durch die Gestaltung der Arbeitnehmerbeteiligung
am kirchlichen Arbeitsvertragsrecht werde die Möglichkeit eröffnet,
dass jeder Interessenkonflikt Gegenstand einer Schlichtung sein könne.
Selbst wenn man unter diesen Konflikten auch "Nichtbeschlüsse"
der AK verstehen will, kann nicht unterstellt werden, die AK solle durch
eine Schlichtung zu abändernden Beschlüssen gezwungen werden.
Schlichtungsvereinbarungen
Tarifverträge kommen in aller Regel nicht nach Arbeitskämpfen
zustande, sondern im Wege von Verhandlungen oder nach Schlichtungssprüchen.
Hierin liegt eine Annäherung des Tarifsystems an das sog. Konsensprinzip
des Dritten Weges. Die Befürworter von Schlichtungsverfahren fordern,
ähnlich wie nach erfolglosen Tarifverhandlungen müsse es auch
nach einem gescheiterten AK-Beschluss weitergehen. Da Streik und Aussperrung
nicht zur Verfügung stünden, bleibe nur die Schlichtung übrig,
um Ergebnisse zu erzielen.
Mit diesem Argument, so schlüssig es klingen mag, kann die Zwangsschlichtung
nicht begründet werden, weil deren Ergebnis nicht auf einem Beschluss
der Kommission beruht. Hier ist vorab anzumerken, dass dem staatlichen
und privatwirtschaftlichen Bereich eine Zwangsschlichtung unbekannt
ist. Bei diesem Instrument handelt es sich um eine den Kirchen eigene
Lösungsstrategie. Sie ist wegen der Garantie des Grundgesetzes,
zur Förderung der Arbeitsbedingungen Koalitionen (mit ent-sprechender
Durchsetzungsfähigkeit) bilden zu können, nur im kircheneigenen
Dritten Weg anzutreffen.
Ein der Zwangsschlichtung vergleichbares Prozedere findet sich freilich
in Schlichtungsabkommen. Es kommt vor, dass sich die Tarifvertragsparteien
in einer Vereinbarung der zu treffenden Schlichtungsentscheidung Dritter
unterworfen haben. Obwohl der Schlichtungsspruch in diesen Fällen
nicht konkret zur Abstimmung gestellt wird, bleibt der vom Schlichter
gefundene Tarifabschluss gleichwohl eine - vorab getroffene - Entscheidung
der Tarifparteien. Sollte die AK eine entsprechende Verfahrensweise
praktizieren wollen, müsste die Ordnung der Arbeitsrechtlichen
Kommission die Möglichkeit eines Schlichtungsabkommens zwischen
Dienstgeber- und Mitarbeiterseite vorsehen oder die Kommission selbst
müsste mit qualifizierter Mehrheit beschlossen haben, sich einem
Schlichterspruch zu unterwerfen. Nach einem solchen Beschluss könnte
die Schlichtung angerufen werden.
Eine solche Verfahrensweise entspräche den von den Bischöfen
festgelegten Grundsätzen. Nach Art. 7 der Grundordnung des kirchlichen
Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsver-hältnisse werden die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an der Gestaltung ihrer Arbeitsbe-dingungen
beteiligt, indem sie ihre Kommissionsmitglieder wählen. Die Mitglieder
ihrerseits können nur qualifiziert überstimmt werden. Das
kann nichts anderes bedeuten, als dass diese gewählten Vertreter
auf die Entscheidungen der AK in jeder Phase des Beschlussprozesses
Einfluss nehmen können. Die Arbeitsrechtliche Kommission über
die AK-Ordnung vorab an eine Zwangsschlichtungsentscheidung zu binden,
dürfte dem Prinzip widersprechen, beide Seiten an der Gestaltung
der Arbeitsbedingungen zu beteiligen: Dienstgeber wie Dienstnehmer müssen
zu dem Ergebnis einer Schlichtung mit Mehrheit ja sagen können
und dürfen nicht darauf verwiesen werden, dieses Ergebnis lediglich
mit Dreiviertelmehrheit korrigieren zu können.
Angemessenheit
Mit der von der Dienstgeberseite vorgeschlagenen Zwangsschlichtung
kann auch die Qualität der profanen Tarifschlichtung nicht erreicht
werden. Tarifregelungen - auch solche nach Schlichtung - sind, so wird
vermutet, angemessen. Diese Vermutung gründet sich auf das annähernde
Kräftegleichgewicht der Tarifparteien, das durch die herkömmlichen
Arbeitskampfmittel herbeigeführt wird. Dieses Gleichgewicht wird
für die AK u. a. durch das Abstimmungsquorum von 75% hergestellt.
Es ist verletzt, wenn ein Beschluss kraft Zwangsschlichtung Gültigkeit
erlangen soll, der von dem Votum weniger Personen getragen wird.
Soll Schlichtung (anstelle des Arbeitskampfes) die Einigung auf einen
Beschluss bewirken, muss sie die zumindest mehrheitliche Einigung derer
enthalten, die vorher uneins waren. Andernfalls kann die Vermutung nicht
eingreifen, die in der Schlichtung gefundene Regelung sei aufgrund Kräftegleichgewichts
angemessen. Es wird eher der Verdacht genährt, eine Seite sei von
der anderen "über den Tisch gezogen" worden.
Die Diskussion um das Für und Wider von Vermittlungsverfahren
könnte sich erübrigen, wenn es der AK gelänge, wie in
der Vergangenheit Beschlüsse zu fassen, die durch ihre Qualität
überzeugen und deshalb weder der Schlichtung noch der Rechtskontrolle
bedürfen. Qualität heißt, den Befürchtungen beider
Seiten gerecht zu werden. Diese liegen auf Dienstgeberseite darin, ohne
Veränderung der AVR die Konkurrenzfähigkeit einzubüßen,
sie liegen auf Dienstnehmerseite darin, durch Veränderungen Einbußen
im Einkommen und Abkoppelung von der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung
hinnehmen zu müssen.
Ist eine hohe Akzeptanz von AK-Beschlüssen durch ganz viele schlicht
eine Vision oder eine zu schlichte Vision? Der Zentralrat wird die Antwort
geben müssen
Kirchliche Mitarbeiter/innen - gut versorgt?
Diesen Eindruck könnten unsere Leser gewinnen, insbesondere diejenigen,
die rentennahen Jahrgängen angehören, wenn sie die Diskussion
über die Zukunft der Zusatzversorgung verfolgen:
Der Gesetzgeber hat entschieden, Angehörige des öffentlichen
und kirchlichen Dienstes dürften weder die staatliche Förderung
nach der "Riesterrente" in Anspruch nehmen noch dürften
sie steuer- und sozialabgabenfreie Aufwendungen für ihre Betriebsrente
im Wege der sog. Entgeltumwandlung leisten. Diese Entscheidung wird
damit begründet, die bei der Kirche oder beim Staat Zusatzversicherten
erhielten nach 40 Dienstjahren 91,75 % ihres letzten Nettogehaltes als
Versorgung. Daher brauchten sie nicht privat vorzusorgen.
Diese Wertung trifft für den weitaus überwiegenden Teil kirchlicher
Mitarbeiter nicht zu. Caritasbeschäftigte erreichen in aller Regel
die Höchstversorgung nicht. Das liegt daran, dass sie als so genannte
Seiteneinsteiger in das Versorgungssystem erst im Laufe ihres Berufslebens
zur Caritas stoßen oder daran, dass ihre Berufstätigkeit
durch Familienzeiten unterbrochen wird.
Den Versorgungssatz von 91,75% bekommen bei der Kirchlichen Zusatzversorgungskasse
gerade einmal 7% der Versicherten. Alle anderen erhalten weniger Rente.
- Nach Abzug der Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung
beträgt die Rente nicht mehr 91,75%, sondern nur noch rund 84%.
Bei weniger als 40 Dienstjahren sinken die Alterseinkünfte weiter
ab.
- Versicherte, die oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze der Krankenversicherung
verdient haben, haben deutlich höhere Abzüge zu erwarten,
weil ihnen die kostengünstige Krankenversicherung der Rentner
versperrt ist und sie die vollen Kassenbeiträge (abzüglich
eines Zuschusses der gesetzlichen Rentenversicherung) entrichten müssen.
- Die Zusatzversorgungskasse billigt nur dann die Berechnung des
Versorgungsniveaus nach Steuerklasse 3 zu, wenn der Ehepartner noch
lebt oder mindestens ein zu versorgendes Kind existiert.
- Nur noch gut die Hälfte (58%) aller Versicherten erreicht
heutzutage die Versorgungsrente. Die Übrigen müssen mit
der weit geringeren Versichertenrente auskommen.
Im Durchschnitt stockt die kirchliche Zusatzversorgungskasse die gesetzlichen
Renten um 20% auf. Diese im Vergleich zur Wirtschaft günstige Quote
wurde freilich mit Nachteilen erkauft. So wurde die alleinige Übernahme
der Beiträge durch die Dienstgeber mit geringeren Gehaltssteigerungen
und längeren Arbeitszeiten in den siebziger Jahren kompensiert.
Außerdem liegt das Gehaltsniveau unter und die Arbeitszeiten kirchlicher
Beschäftigter liegen deutlich über denen ihrer Kollegen in
der Wirtschaft. Den Anschluss an die Gehälter des Öffentlichen
Dienstes haben die Caritasbediensteten erst vor rund 30 Jahren geschafft,
ganz zu schweigen von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ostens,
deren Einkünfte jahrzehntelang unter dem allgemeinen Niveau dort
lagen.
Von einer opulenten Versorgungssituation kirchlicher Mitarbeiter kann
daher nicht die Rede sein, geschweige denn davon, sie werde sich bei
einem Umstieg in ein anderes System verbessern.
Ausblick
Nach den bisherigen Erkenntnissen laufen nicht nur die Beschäftigten,
sondern auch die Rentner Gefahr, an der Finanzierung ihrer Zusatzrenten
beteiligt zu werden:
- Die Rentner sollen beteiligt werden, indem ihre Zusatzrenten künftig
am 1. Juli eines jeden Jahres wie im öffentlichen Dienst nur
um 1% erhöht werden. Die Kasse selbst räumt ein, dass durch
eine solche Maßnahme wegen des fehlenden Inflationsausgleichs
ein realer Verlust bei den Rentnern eintreten wird. Eine ganz besondere
Gnade der frühen Geburt!
- Die rentennahen Jahrgänge wären von der geplanten Mitfinanzierung
über geringere Rentensteigerungen ebenso betroffen wie die Rentner,
weil sie die Verluste nicht mehr durch eine eigene Riesterrente ausgleichen
können.
- Die Gewerkschaften räumen für die von ihnen per Tarifvertrag
vereinbarte Zusatzrente nach dem Punktemodell ohne Umschweife ein,
die Rente werde langfristig unter dem bisherigen Niveau liegen. Es
mag spekuliert werden, ob die kirchlichen Geldexperten ein besseres
Ergebnis als ihre profanen Kollegen zu erzielen vermögen. Damit
rechnen offenbar die Gewerkschaften: Ihr Verhandlungsführer Martin
konstatiert, "der Klerus stehe am besten da". Die kirchlichen
Kassen finden in der Tat bessere Gewinnvoraussetzungen als ihre Konkurrenten
vor, denn sie dürfen harte Euros zu vermehren versuchen, während
jene die Verzinsung weitest gehend vorgegeben bekommen und nur so
tun dürfen, als sei echtes Kapital in ihre Kassen geflossen.
- Allzu erfolgreich dürfen die Zusatzversorgungskassen in dem
neuen System ohnehin nicht sein, weil sie ansonsten die Riesterförderung
riskieren. Der Finanzminister würde vermutlich bei allzu erfreulichem
Geschäftsverlauf argumentieren, es bedürfe keiner staatlichen
Förderung, weil die Kürzungen der gesetzlichen Rente ja
ohnehin wie in der Vergangenheit von den Zusatzversorgungskassen ausgeglichen
würden.
- Um die vom Gesetzgeber beschlossenen Rentenabsenkungen aufzufangen,
müssen die Beschäftigten zusätzliche eigene Beträge
für ihre Alterssicherung aufwenden. Sie sind aufgerufen, bis
zu 4 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze (rund 177 EUR monatlich)
in die betriebliche Altersversorgung einzuzahlen. Hierfür gibt
es im Rahmen von Höchstbeträgen steuerliche Erleichterungen
und ggf. Sozialabgabenfreiheit und/oder die staatliche Riester-förderung
nach Wahl der Einzelnen. Schöpfen gut Betuchte die Förderung
nicht aus, können weitere Beträge pauschal versteuert werden.
Die Ein-Prozent-Anpassung der Renten muss vom Tisch!
Es mag auf Grund der desolaten Kassenlage einiger Zusatzversorger angebracht
sein, die künftige Rentenanpassung schon heute als mit einem Prozent
angemessen bemessen festzuschreiben. Für die kirchliche Zusatzversorgungskasse
ist eine solche Fixierung angesichts der soliden Kassenlage weder erforderlich,
noch akzeptabel noch in irgendeiner Weise gerechtfertigt.
WvF
Verdoppelte Zulage für Intensivschwestern und Intensivpfleger
Die AVR regeln in Ziffer 1 der Anmerkungen zu den Tätigkeitsmerkmalen
der Vergütungsgruppen Kr 1 bis Kr 14 der Anlage 2a eine Vielzahl
von Sachverhalten, die eine Zulage auslösen.
Nach Absatz 1a der Ziffer 1 erhalten Pflegepersonen der Vergütungsgruppen
Kr1 bis Kr7, die zeitlich überwiegend in Einheiten für Intensivmedizin
Patienten pflegen, für die Dauer dieser Tätigkeit eine monatliche
Zulage von 46,02 EUR die so genannte Intensivzulage.
Bereits in der Vergangenheit war umstritten, ob das auf Intensivstationen
beschäftigte Personal daneben die Voraussetzungen einer Zulage
nach Absatz 1 erfüllen kann. Absatz 1 sieht unter dem Buchstaben
b) für Pflegepersonen der Vergütungsgruppen Kr 1 bis Kr 7,
die die Grund - und Behandlungspflege zeitlich überwiegend an Kranken
in geschlossenen oder halbgeschlossenen psychiatrischen Abtei-lungen
ausüben, eine Pflegezulage in Höhe von 46,02 EUR vor.
Nach Buchstabe d) wird die Pflegezulage auch an Personen gezahlt, die
gelähmte oder an Multipler Sklerose erkrankte Patienten zeitlich
überwiegend pflegen.
In einem Urteil vom 26.01.1994 - 10 AZR 480/92 hat das Bundesarbeitsgericht
festgestellt, die Pflegezulage nach Buchstabe 1b) müsse bei Vorliegen
der Voraussetzungen zusätzlich zur Intensivzulage gezahlt werden.
Dieses Urteil hat die Praxis zu einem nicht geringen Teil ignoriert,
weil sich der Verband Kommunaler Arbeitgeber (VKA) mit dem Hinweis,
niemand könne gleichzeitig zwei Zulagenvoraussetzungen erfüllen,
dagegen ausgesprochen hat.
Nunmehr hat das Bundesarbeitsgericht in einem Urteil vom 23.02.2000
- 10 AZR 91/99 - NZA 2001 Seite 845 erneut festgestellt, die Pflegezulage
könne zusätzlich zur Intensivzulage gezahlt werden. Diesmal
ging es um Patienten, die aus therapeutischen Gründen durch Medikamente
in den Zustand der Bewusstlosigkeit versetzt werden. Das Gericht befand,
diese Patientengruppe sei als gelähmt im Sinne der Zulagenregelung
anzusehen, folglich müsse die Pflegezulage neben der Intensivzulage
gezahlt werden.
Dieses Urteil trifft nach unserer Einschätzung auf eine Vielzahl
von Intensivbehandlungen zu. Wir empfehlen daher den betroffenen Pflegekräften,
die Zahlung der Pflegezulage umgehend unter Beachtung der Ausschlussfrist
rückwirkend für 6 Monate geltend zu machen. Teilzeitkräfte
haben den Anspruch entsprechend ihrem Beschäftigungsumfang.
WvF
KLARSTELLUNG
Der Anspruch der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bereich des Deutschen
Caritasverbandes, Teile ihres Arbeitsentgeltes zugunsten einer betrieblichen
Altersversorgung umzuwandeln, wird laut Mitteilung des Deutschen Caritasverbandes
durch den sog.. Tarifvorbehalt ausgeschlossen. Entgeltumwandlung sei
erst möglich, wenn die AVR entsprechend geändert worden seien.
Das Betriebsrentengesetz verbietet tarifgebundenen Arbeitgebern die
Entgeltumwandlung, wenn der für sie maßgebliche Tarifvertrag
die Entgeltumwandlung nicht ausdrücklich regelt oder zulässt.
Tarifbindung gilt im allgemeinen dann, wenn Arbeitgeber wie Arbeitnehmer
Mitglieder von Tarifvertragsparteien sind.
Die Gleichsetzung arbeitsrechtlicher Normen des Caritasbereichs mit
den Normen der Tarifvertragsparteien bedeutet, dass Caritasdienstgeber
ohne Wenn und Aber an ihren AVR-Tarifvertrag gebunden sind. Sie können
ihre Beschäftigten selbst dann nicht untertariflich bezahlen, wenn
diese mit einer untertariflichen Bezahlung einverstanden sind.
WvF
"Dienstgemeinschaft" mit einer neuen Bedeutung als rechtlich
verpflichtende "AVR-Tarifgemeinschaft"?! Das wär's dann
doch endlich oder? (Siehe AKM Nr. 15)