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AK-Magazin Nr. 22 - Oktober 2002


 

Ein Lotse geht...

Zum Abschied von Wilderich von Fürstenberg, Rechtsberater der Mitarbeiterseite

Zum 1. Oktober 2002 ist der langjährige Rechtsberater der Mitarbeiterseite in der Arbeitsrechtlichen Kommission, Wilderich v. Fürstenberg (v. Fürstenberg), in den Ruhestand getreten. Das AK-Magazin (AKM) hat ihn anlässlich dieses Ereignisses über seine Erfahrungen und Einschätzungen interviewt.

AKM: Herr von Fürstenberg, Sie haben die Arbeit der AK aus unterschiedlichsten Blickwinkeln über Jahre hinweg begleitet, als Anwender, Stellvertreter, Mitglied, und zuletzt als Rechtsberater. Was hat sich über die Jahre verändert?

v. Fürstenberg: Die Arbeit der AK ist in den letzten anderthalb Jahrzehnten professioneller und eigenständiger geworden. Tarifergebnisse des öffentlichen Dienstes werden zwar nach wie vor übernommen, aber zunehmend durch eigene Entscheidungen angereichert. So werden Verteilungskonflikte in die Kommission hinein getragen, die es früher so nicht gab. Sie entstehen dadurch, dass die Dienstgeberseite die schwindende Abhängigkeit des Refinanzierungssystems karitativer Einrichtungen vom öffentlichen Dienst dazu nutzt, eigene, kostensenkende Forderungen einzubringen, bevor sie einer Tariferhöhung zustimmt.

AKM: Rechtsberater der Mitarbeiterseite - das war etwas ganz neues, ein weites Land, unbeackerter Boden. War die Umstellung vom Mitglied zum Rechtsberater schwierig? Was hat dabei am meisten, was am wenigsten Spaß gemacht?

v. Fürstenberg: Ich habe kein absolutes Neuland betreten, als ich in die beratende Funktion wechselte. Schließlich war ich nebenher immer auch als Berater der Mitarbeitervertretungen und Mitarbeiter meiner Diözese Essen tätig. So konnte ich stets auf wichtige Basiserfahrungen zurück greifen.
Auslösendes Motiv, einen Rechtsberater für die Mitarbeiterseite der AK zu installieren, war die Vorstellung, man müsse einem rechtlichen Ausmanövrieren durch die vermeintlich kompetentere Dienstgeberseite begegnen. Waffengleichheit bei der Beurteilung von Rechtsfragen herzustellen, ist ein wichtiger Aspekt, wenn es darum geht, die AVR zu gestalten. Gleichwohl stelle ich in Frage, ob es zu Verbesserungen der AVR nennenswert beigetragen hat. Denken Sie nur daran, wie oft wir die Gleichbehandlung von Teilzeitkräften angemahnt, zum unverrückbaren Prinzip erhoben haben. Wir haben uns nicht durchsetzen können, weil betriebswirtschaftliche Interessen stärker waren, und sogar soziologische, psychologische und theologische Erkenntnisse, um nur die wichtigsten zu nennen, verdrängt haben. Es bedarf wohl einer Aufrüstung der Mitarbeiterseite auch in den genannten Disziplinen. Dennoch war es für mich eine große persönliche Befriedigung, den beginnenden Veränderungsprozess der AK begleiten zu dürfen. Es gehört zum Geschäft, dass dabei nur ein Bruchteil dessen umgesetzt werden konnte, was ich erträumt hatte.

AKM: Es scheint fast eine gegenläufige Entwicklung zu geben: Jahrzehntelang war der "Dritte Weg" heftig umstritten, sogar bekämpft; jetzt, wo er langsam an Reputation gewinnt, erodiert er innerlich. Die vertrauensvolle Zusammenarbeit beider Seiten ist auf ein Minimum geschrumpft, es geht weder vorwärts noch rückwärts. Ist das mehr ein strukturelles oder ein inhaltliches Problem, oder gar eine unglückselige Verkettung von beiden?

v. Fürstenberg: Die gewonnene Reputation des Dritten Weges beruht nach meiner Einschätzung weniger auf den Inhalten, die dort erarbeitet werden, als vielmehr auf dem als Konsensprinzip bezeichneten - im Vergleich zum zweiten Weg billigeren - Weg, auf dem Beschlüsse erreicht werden.
Der derzeitige Stillstand scheint mir darauf zurückzuführen zu sein, dass sich die Kommission noch in einem Lernprozess befindet. Die Erarbeitung eigenständiger Beschlüsse verlangt Konfliktstrategien, Überdenken der eigenen Position und Kompromissbereitschaft. Statt dessen ist auf beiden Seiten häufig ein stures Festhalten an einmal eingenommenen Standpunkten festzustellen. In dieser Situation fehlt den Mitgliedern der AK die Fähigkeit, aufeinander zuzugehen. Weil dafür nicht vorgesorgt ist (z.B. durch Schlichtung und Schulung in Konfliktstrategien), liegt zunächst einmal ein strukturelles Problem vor.

AKM: Es hat sich gezeigt, dass komplexere Themen (Stichwort: Zusatzversorgung) einerseits die AK in ihrer Kompetenz überfordern, andererseits andere Gremien die AK in ihrer Zuständigkeit und Verantwortung auch gar nicht wahrnehmen (z. B. die KZVK) oder schlicht übergehen. Hat die AK ausreichende Ressourcen für ihr Geschäft? Oder ist sie zwangsläufig auf Nachvollziehen gepolt? Tut die AK ausreichend für ihr Image?

v. Fürstenberg: Die Neuregelung der Zusatzversorgung war ein unwürdiges Schauspiel für das Image des Dritten Weges, unabhängig davon, ob es rechtlich korrekt abgelaufen ist. Ich frage mich, ob es dem Selbstverständnis einer Arbeitsrechtlichen Kom-mission entsprechen kann, gerade dann keine eigenen Akzente setzen zu dürfen, wenn es um die Altersversorgung, die Absicherung des Erwerbsrisikos und die finanzielle Sicherung der Hinterbliebenen der uns anvertrauten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geht. Die Beantwortung solcher Fragen darf doch nicht Versicherungsmathematikern, Rechtsgutachtern und Betriebswirten überlassen bleiben, denn es handelt sich um Werteentscheidungen. Sie sind wegen ihrer Komplexität zwangsläufig auf der Grundlage fremden Wissens und fremder Kompetenz zu treffen. Die Nichtbeachtung der AK in dieser Frage hätte Anlass sein müssen, den Auftrag zur Gestaltung des Arbeitsrechts zu überdenken oder zurück zu geben.

AKM: Die AK hat noch nie einen eigenständigen Entgeltbeschluss gefasst. Trotzdem verlangt man von ihr sogar, eine leistungsbezogene Vergütung zu kreieren. Trauen Sie der AK das zu?

v. Fürstenberg: Die AK kann froh sein, dass es ihr in der Vergangenheit wegen der Übernahme der Tarifergebnisse des öffentlichen Dienstes erspart geblieben ist, selbst den gerechten Lohn für die Arbeit der Beschäftigten festlegen zu müssen. Es wird ihr nicht erspart bleiben, darüber zu befinden, ob bei der Caritas Leistungslohn eingeführt wird. Leistungslohn ist chic und entspricht der gesellschaftspolitischen Entwicklung. In größeren Einrichtungen wird Leistungsvergütung auf Geschäftsführerebene und auch darunter als selbstverständlich betrachtet. Sogar ehrenamtliche AK- Mitglieder verlangen leistungsgerechte Entlohnung für ihre Arbeit. Das alles widerspricht den Grundsätzen, die wir im Gleichnis der Arbeiter im Weinberg des Herrn vorfinden. Dennoch wird die AK Leistungsvergütung spätestens dann beschließen, wenn sich der öffentliche Dienst dazu durchgerungen hat. Das entspricht dem Ritual, Tariferhöhungen mit anderen Komponenten zu koppeln. Die AK ist gut beraten, vorher über die Gestaltung der Leistungsvergütung nachzudenken, um Raum für eigene Akzente zu lassen und einen groben Rahmen abzustecken. Ich bin mir bewusst, dass Leistungsvergütung äußerst problematisch gesehen werden muss. Sie kann nach meiner Einschätzung nur individuell oder gruppenbezogen - wenn überhaupt - beurteilt werden. Die AK übernimmt sich, wenn sie meint, hier im Detail mitreden zu müssen. Das gilt insbesondere für einzelne Leistungskriterien und die Schwierigkeit, die Qualität sozialer Arbeit zu messen. Es war sicherlich kein Ruhmesblatt, z.B. die Leistungsfähigkeit eines Kochs an Vollportionen zu messen.
Der Widerstand gegen Leistungsentgelte wird durch die Befürchtung genährt, es solle auf Kosten der Schwächeren zu Gunsten der Stärkeren oder gar des Dienstgebers umverteilt werden. Das ist in der Tat eine Werteentscheidung, die wohl bedacht sein will. Abschaffung des Bewährungsaufstiegs und Stellenbündelung (mehrere Möglichkeiten, den Mitarbeiter einzugruppieren), wie im öffentlichen Dienst angedacht, zielen in genau dieselbe Richtung und werden die AK erreichen. Sie muss sich entscheiden.

AKM: Ein Problem der von der AK zu verantwortenden AVR ist ihre mangelnde Tarifqualität. Jedermann kann sie in Teilen abbedingen, wenn ihm etwas nicht gefällt oder zu teuer ist. Sehen Sie eine Lösung, wie die AVR über den Charakter von unverbindlichen Empfehlungen hinauskommen könnten?

v. Fürstenberg: Die mangelnde Tarifqualität der AVR erleichtert den Tarifbruch. Dessen ungeachtet ist er kein Phänomen, das AVR - typisch ist. Ein Blick in die angeblich tarifvertraglich geordnete Wirtschaft belegt diese Feststellung. Auch die Haustarife der Gewerkschaften des öf-fentlichen Dienstes sind nichts anderes als geschickt verbrämte Tarifabweichungen nach un-ten. In der verfassten Kirche wird die Tarifanwendung durch die Gesetzesmacht des Bischofs gewährleistet, doch die weltlichen GmbHs der Caritas erreicht er nicht. Infolge des-sen muss die Caritas selbst die Anwendung der AVR sichern, indem sie tarifunwillige Mitglieder eliminiert. Ob den Betroffenen damit geholfen ist, bleibt offen und sei dahingestellt.
Andererseits kann die AK die Anwendung der AVR unterstützen, indem sie Erleichterungen für die Dienstgeber schafft, die sich in einer echten Notlage befinden. Es nutzt wenig, in solchen Fällen auf die Prosperität der Kirche oder Miss-management zu verweisen. Tariföffnung bedeutet, dem Zickzackkurs der Gewerkschaften zu folgen. Mangels gebietlicher Strukturen der AK bleibt nur die Öffnungsklausel für örtliche Dienst-vereinbarungen. Diese setzt freilich eine fachliche Aufrüstung der Ortsebene und Einsicht in die Bücher voraus.

AKM: Hat die Arbeitsrechtliche Kommission (AK) eine Zukunft? Wie müsste sie sich und was müsste sie ändern, damit sie eine hat?

v. Fürstenberg: Die AK hat Zukunft, wenn sie das tut, wozu sie angetreten ist: Die Arbeitsverhältnisse von Mitgliedern der Dienstgemeinschaft zu gestalten. Nachdem auch der öffentliche Dienst sich in seiner Tarifpolitik von sozialpolitischen und gesellschaftspolitischen Vorgaben zu verabschieden beginnt (Verheiratetenzuschlag, Alterszuschlag, Alterssicherung, Leistungsbezahlung, Branchentarife), ist die AK mehr denn je gefordert, darüber zu entscheiden, welche Prinzipien der katholischen Soziallehre zukünftig in den AVR ihren Niederschlag finden.
Es ist sicherlich nicht falsch, zu behaupten, die Bewährungsprobe der AK sei gekommen. Will sie die Probe bestehen, muss sie darüber nachdenken, ob ihr Verhandlungsstil zeitgemäß ist. Ich halte es für ein Unding, dass die Voten der Mitglieder, die in Ausschüsse entsandt werden, von der eigenen Fraktion gekippt werden. Das ist in meinen Augen ein Verstoß gegen das Gebot der Verlässlichkeit und vertrauensvollen Zusammenarbeit. Die Verlagerung der Arbeit in einen Ausschuss folgt der Erkenntnis, dass ein Gremium von 58 Personen nicht fähig ist, Detaillösungen zu erarbeiten. Daraus folgt für mich, dass Grundsatzentscheidungen in der Kommission respektive in der Fraktion getroffen werden, bevor ein Ausschuss damit befasst wird.

AKM: Wie sehen Sie rückwirken Ihre Arbeit als Rechtsberater? Was empfehlen Sie Ihrer Nachfolgerin?

v. Fürstenberg: Es steht mir nicht zu, meine Arbeit zu bewerten, das mögen andere tun. Ich persönlich bin dankbar, dass der Präsident des Deutschen Caritasverbandes und die Vertreter der Mitarbeiter meine Art zu agieren geduldet und unterstützt haben. Meine Nachfolgerin wird ihren eigenen Stil finden. Etwas mehr an Charme kann der Arbeit nur förderlich sein.

AKM: Herr von Fürstenberg, wir danken für das Gespräch, Ihre hervorragende Arbeit und für eine lange, gute Zeit freundschaftlicher Verbundenheit.

wbf

 


Die Neue:

Sie heißt Henriette Crüwell, ist 31 Jahre alt, verheiratet und Mutter dreier Kinder im Alter von 4, 6 und 8 Jahren. Sie hat ihr Abitur in der Heimschule Kloster Wald gemacht, eine Gesellenprüfung in Scheibentöpferei absolviert (das verspricht pfleglichen Umgang mit empfindlichem Tarifporzellan!), hat Jura in Würzburg und Kiel studiert, erstes und zweites juristisches Staatsexamen abgelegt und dann noch ein Studium der Philosophie und Theologie an der Hochschule St. Georgen in Frankfurt am Main draufgepackt. Das ist schon bis zum Vordiplom gediehen. Entgegen den Verlautbarungen baden-württembergischer Werbung kann sie ausweislich ihres Abiturzeugnisses neben Englisch und Italienisch auch Hochdeutsch. Die Leserinnen und Leser werden ihre diversen Fähigkeiten demnächst selbst im AK-Magazin beurteilen können.
Die Mitarbeiterseite freut sich, mit ihr und ihrem Kollegen Wolfgang Bartels ein kompetentes und kooperatives Beratungsteam zur Seite zu haben. Das tröstet über den rentenbedingten Verlust v. Fürstenbergs ein bisschen hinweg.

wbf