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Beteiligung und Mitverantwortung in wirtschaftlichen Angelegenheiten

Dritte Fachtagung zum kirchlichen Arbeitsrecht der Universität Eichstätt und der ZMV

 

Die Frage der Vermögensbeteiligung in gemeinnützigen sozial-caritativen / diakonischen Einrichtungen war lange Zeit ein Tabuthema, das mit einem "Geht bei uns nicht" vom Tisch gewischt wurde. Die Tatsache, dass rund 220 Interessierte sich am 28. und 29. Februar dem Thema bei der dritten Arbeitsrechtlichen Fachtagung der Universität Eichstätt / ZMV näherten, zeigt, dass bei knapper werdenden Ressourcen in den Einrichtungen der Blick auf das "Sparkässle" der Mitarbeiter/innen bei Dienstgebern wie Mitarbeiter/innen aus verschiedenen Denkansätzen heraus doch einen gewissen Charme entwickeln kann. In diesem Zusammenhang erstaunlich: Die Idee zum Thema kam nicht etwa von Dienstgeberseite, sondern entstand in der Bundesarbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz (BAG-MAV). Frau Prof. Dr. Renate Oxenknecht, Dozentin an der Universität Eichstätt und Schriftleitern der ZMV, begrüßte als Veranstalterin die zahlreichen Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Dienstgeber und Mitarbeitervertretungen aus evangelischen und katholischen Einrichtungen ebenso wie ihre Kolleginnen und Kollegen aus der Wissenschaft. Sie dankte Walter Berroth, Stellvertretendem Vorsitzenden des Gesamtausschusses der Evangelischen Landeskirche in Baden auf der Mitarbeiterseite und Günter Däggelmann (BAG-MAV) aus dem Redaktionsteam der ZMV für die gemeinsame Vorbereitung der Tagung; das größte Lob gehörte jedoch Frau Meyer vom Redaktionsbüro der ZMV, die in vielen Stunden Arbeit die Vorbereitungen getroffen hatte, dass auch bei der dritten Tagung sich alle wohlfühlen konnten. Der Dekan der Fakultät für Sozialwesen der Universität Eichstätt, Prof. Dr. Wolfgang Klug, sprach ein Grußwort, in dem er die Verbindung zwischen Wissenschaft und Praxis als wesentlichen Bestandteil der Zukunftsfähigkeit kirchlicher Einrichtungen hervorhob.

 

Von der mildtätigen Mitgliedseinrichtung zum sozialen Diensleistungsunternehmen

Aufgrund gesetzlicher Vorgaben, kirchlicher Prioritätensetzung und europäischen Entwicklungen werden aus den ursprünglich mildtätigen kirchlichen Mitgliedseinrichtungen von Caritas und Diakonie immer mehr marktwirtschaftlich orientierte soziale Dienstleistungsunternehmen. Die Betriebsverfassung dieser Unternehmen entspricht aber immer noch eher der antiquierter Behörden. Welche Möglichkeiten bzw. Notwendigkeiten hinsichtlich der Arbeitnehmerbeteiligung sich entfalten könnten, eröffnete Prof. Dr. Traugott Jähnichen von der Ruhr-Universität Bochum in seinem Eröffnungsreferat "Vermögensbeteiligung und Mitbestimmung in kirchlichen Einrichtungen". Angesichts des Veränderungsdrucks für Einrichtungen von Caritas und Diakonie bestehe die Chance einer Neuprofilierung klassischer Positionen der christlichen Sozialethik. Bereits im 19. Jahrhundert seien in den Kirchen Ideen zur Beteiligung der Mitarbeiter an ihren Arbeitsbedingungen entstanden. Die Sozialenzykliken hätten hier bereits Wege gewiesen, die sich in unterschiedlicher Weise bis in die heutige Zeit entwickelt hätten. In der Nachkriegszeit hätte sich auch die Politik der Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand angenommen. Jedoch weder politische Initiativen noch unterstützende Aussagen der Kirchen hätten - im Rückblick betrachtet - Erfolg auf breiter Basis gezeitigt.

Die partizipative Struktur der menschlichen Arbeit sei ein bedeutendes Thema für das Gelingen einer kooperativen Wirtschaftsstruktur. Schon seit Entstehen des Mitarbeiter-Beteiligungsgedankens habe es immer wieder christlich motivierte Unternehmer gegeben, die Mitarbeiterbeteiligung praktiziert hätten. Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges hätte es jedoch trotz verschiedener Ansätze im weltlichen Bereich (Montan-Mitbestimmung, Betriebsverfassung) in kirchlichen Einrichtungen keine Entsprechungen gegeben. Die kirchenseits immer wieder geforderte breitere Vermögensverteilungerfordere die wirtschaftliche Integration der Mitarbeiter durch Vermögenbeteiligungen. Wettbewerb sei, so Prof. Jähnichen, Gefahr und Chance zugleich.

Es bedürfe der sorgfältigen Abwägung von Vor- und Nachteilen; vor materiellen Beteiligungen müssten zuerst immaterielle Gestaltungsprozesse in den Einrichtungen vorangehen. Materielle Beteiligung führe nicht nur zur Mitgestaltung von Unternehmensentscheidungen, sie könne auch bisherige Solidarisierungeffekte unter der Mitarbeiterschaft aufbrechen und die Individualisierung in der Einrichtung fördern. Das viel diskutierte Leitbild der Dienstgemeinschaft könne aus ethischer Sicht durch Beteiligungsmodelle eine neue Qualität erfahren; bislang hätten der

Dienstgemeinschaft eine Ebene des Redens einerseits und eine Ebene des Handelns andererseits innegewohnt, die kaum Verbindungslinien zueinander gehabt hätten. Es gebe sehr wenige empirische Erkenntnisse über kirchliche Arbeitsverhältnisse, die einzige Studie für die evangelische Kirche(Nuzinger/Beyer) habe sehr ambivalente Ergebnisse gebracht. Die Realität in den Einrichtungen stimme mit dem theologischen Anspruch kirchlichen Handelns meist nicht überein.

In einem Ausblick formulierte Prof. Jähnichen die Hoffnung auf einen Vierten Weg, der die bisherigen Erfahrungen zu exemplarischen Mitbestimmungsregeln im kirchlichen Bereich wandeln könnte. Er sprach sich dabei für ein vorsichtiges Handeln unter Einbeziehung auch der Bedenken und Ängste aus - vieles zu erproben und damit innovativ zu wirken.

 

Organisatorische und rechtliche Rahmenbedingungen der Vermögensbeteiligung

Ergänzend zu diesem theoretischen Ansatz eröffneten Michael Lezius, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Partner in der Wirtschaft, und Udo Donau,Fachanwalt für Steuerrecht, wie denn allen Unkenrufen zum Trotz eine Vermögensbeteiligung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auch in gemeinnützigen Einrichtungen gelingen kann. Herr Lezius führte grundsätzlich in die Idee des Partnerschaftsunternehmens ein und legte die Vorteile solcher Partnerschaftlichkeit für Unternehmen und Arbeitnehmer dar. Partnerschaftsunternehmen zeichneten sich durch flache Hierarchien,Selbstverantwortung am Arbeitsplatz, Gruppenarbeit in Produktion und Verwaltung, Qualitätsmanagement, Mitverantwortung durch Teilhabe und Flexibilität in der Organisationskultur aus.

Aktuelle Formen der Mitarbeiterbeteiligung, deren jeweilige Anwendung von der Art und den Bedürfnissen der Einrichtung abhingen, reichten von stillen Beteiligungen über Genussrechte, GmbH-Anteile, Geschäftsguthaben bei Genossenschaften bis zu Aktien bzw. Belegschaftsaktien.

Zum Schluss machte der Referent Vorschläge zur Vorgehensweise bei der Einführung von Mitarbeitermodellen und betonte, dass vor allem der Information der Mitarbeiter und hoher Transparenz aller Einzelschritte entscheidende Bedeutung zukomme. Es müssten ja nicht sofort alle Möglichkeiten der Beteiligung ausgereizt werden; die Politik der kleinen Schritte sei auch im Hinblick auf die Akzeptanz durch die Mitarbeiter oft viel erfolgversprechender.

Herr Donau klärte in seinem Vortragsteil zunächst allgemeine Fragen zur Steuerbegünstigung von Organisationen. Solche Einrichtungen könnten in Vereinen, Gesellschaften mit beschränkter Haftung oder Betrieben gewerblicher Art einer juristischen Person des öffentlichen Rechts organisiert sein. Die Bedeutung der Steuerbegünstigung werde oft überschätzt; denn wer keine Steuern zahlen wolle, habe eben auch keinen Gewinn; und Steuern würden ja immer nur dem Gewinn entsprechend anfallen.

Herr Donau unterschied in der Frage der Mitarbeiter-Vermögensbeteiligung zwischen Erfolgsbeteiligung und Ertragsbeteiligung im steuerbegünstigten Bereich. Mit Blick auf die Absicherung von Vermögensbeteiligungen der Mitarbeiter müssten entsprechende Regelungen getroffen werden, die sich auf tarifvertraglicher Basis, durch Betriebsvereinbarung oder durch Verankerung im Individualarbeitsvertrag niederschlagen könnten. Wichtig sei eine jeweils befristete Laufzeit von Regelungen, die wegen sich ständig ändernder gesetzlicher Vorgaben ohnehin einer laufenden Überprüfung unterzogen werden müssten.

 

Mitarbeiterbeteiligung - Theorie und Praxis

Neue Formen der Interessenvertretung

Nach zwei Stunden konzentriertem Zuhören kamen nun die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu Wort. In sieben Arbeitskreisen, von denen je zweiwährend der Veranstaltung belegt werden konnten, wurde das Gehörte breiter ausgefächert. Dem Thema "Neue Formen der Interessenvertretung als Herausforderung an die Kirchen" widmete sich Wolfram Schiering, Vorsitzender der DiAG-MAV Caritas Diözese Rottenburg-Stuttgart.

Die kirchliche Betriebsverfassung und die Entwicklung der kirchlichen Dienstleistungsunternehmen forderten Initiativen der MAVen heraus. Auf wirtschaftlichem Gebiet bildeten sich zwangsläufig neue Formen der Interessenvertretung heraus, die auch schon praktiziert würden. Schiering präsentierte Praxisansätze. Die Entwicklung eines Solidarfonds auf der Grundlage des 5. Vermögensbildungsgesetzes mit paritätischer Mitbestimmung bei der Satzungsentwicklung und bei der Mittelvergabe sei eine in seiner Diözese geplante Möglichkeit. Eine weitere Form der Interessenvertretung sei die Einflussentfaltung durch Öffentlichkeitsarbeit auf der Grundlage moderner Kommunikationstechniken (Internet) unter Beachtung presserechtlicher Vorgaben. Interessenvertretung durch solidarisches Handeln sei auch weiterhin Grundlage für Erfolg. Dies bedeute die Einbindung der Mitarbeitervertretungen durch Information, fachliche und sachbezogene Schulung, Abstimmung von Vorgehensweisen und Handlungskonzepten. Hier spielten auch Diözesane Arbeitsgemeinschaften als Ansprechpartner für Bischöfliches Ordinariat und Diözesancaritasverband (Spitzenverband) eine wichtige Rolle; die Erarbeitung gemeinsamer Positionen, Spielregeln und Konfliktlösungsmodelle könnte die Bemühungen in den Einrichtungen unterstützen.

 

Individualisierung durch Mitarbeiterbeteiligungsmodelle?

Die Gefahr einer "Individualisierung durch Mitarbeiterbeteiligungsmodelle" beleuchtete Dr. Antonius Engberding, Leiter des Teams Betriebswirtschaft beim Vorstand der IG Metall, aus Gewerkschaftssicht. Er zeichnete dabei ein von gewerkschaftlichem Misstrauen gegenüber den Unternehmern geprägtes skeptisches Bild, was die möglichen "Wohltaten" von Unternehmensbeteiligungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angeht. Die klassische Gewinnbeteiligung sei durch individuelle Leistungssteigerung kaum zu erhöhen. Deshalb sei doch stark anzuzweifeln, ob der Arbeitnehmer eine Gewinn-oder Kapitalbeteiligung als Motivation zur Erhöhung der Arbeitsleistung als lohnenswert erachte. Denn durch die Beteiligung trage der Mitarbeiter ja auch das Risiko mit - und dazu hin auch noch die Folgen. Und wer glaube, als Arbeitnehmer mit Kapitalbeteiligungen Einfluss auf zentrale Unternehmensentscheidungen zu bekommen, sollte sich fragen, ob dieses Ziel nicht durch andere Mittel erreichbar sei. Zu der Frage, ob Kapitalbeteiligungen in Krisenzeiten den Bestand von Unternehmen retten könnten, äußerte sich Dr. Engberding ebenfalls skeptisch. Kapitalbeteiligungen,auch durch Umwandlung von Lohnbestandteilen, erwiesen sich bei Not leidenden Unternehmen als wenig effizient.

In der Diskussion wurde die Spanne zwischen Erfahrungsalltag und den theoretischen Möglichkeiten von Beteiligung sichtbar. Auf Mitarbeiterseite lag der Schwerpunkt bei materiellen Beteiligungen dabei vor allem in der Frage der "Verlustbeteiligungen" bzw. einem Ausgleich von Verlusten in besseren Zeiten.

 

Beteiligung in wirtschaftlichen Angelegenheiten

Den Impuls zum Thema "Beteiligung in wirtschaftlichen Angelegenheiten" mit Schwerpunkt kollektivrechtlicher Mitverantwortung gab Walter Berroth. In seinen Eingangsthesen betonte er, dass kirchlich soziale Unternehmen weder einem Kapitalseigner noch einer Institution gehörten und vom christlichen Verständnis her die Unternehmen der Hilfesuchenden und Hilfegebenden seien. Eine richtig verstandene Dienstgemeinschaft beinhalte die gemeinsame Verantwortung aller für alles in einem Unternehmen. Deshalb gebe es eigentlich keinen nachvollziehbaren Grund, weshalb die wirtschaftliche Situation eines kirchlich-sozialen Unternehmens einer größeren Geheimhaltung als die bei anderen Unternehmen bedürfe. Berroth betonte, dass das derzeitige Mitarbeitervertretungsrecht nicht geeignet sei, den Anforderungen der am Markt orientierten sozialen Unternehmen gerecht zu werden.

Das Gespräch konzentrierte sich in der Folge auf die Problematik hierarchischer Grundstrukturen und ihre Überwindung in partizipativen Beteiligungsmodellen; angesprochen wurden auch die Rollenkonflikte, denen MAVen bei weitgehender Einbeziehung in Beratungs- und Entscheidungsprozesse ausgesetzt sind. Beteiligung nur in Notzeiten sei eine schlechte Voraussetzung für gemeinsame Zukunftsgestaltung.

 

Gestaltungsmöglichkeit von Arbeitsrechtlichen Kommissionen

Welche Möglichkeiten Arbeitsrechtliche Kommissionen (AK) als Gremien des Dritten Weges zur Mitgestaltung von Mitarbeiterbeteiligungsmodellen entwickeln könnten, zeichnete Wolfgang Becker-Freyseng, Mitglied der AK des Deutschen Caritasverbandes, aus Mitarbeitersicht. Dabei führte er aus,dass einige Beschlüsse der Arbeitsrechtlichen Kommission Caritas bereits als Beteiligungsmodelle betrachtet werden könnten. Dies betreffe die sogenannte Härtefall- und Notöffnungsklausel ebenso wie das sogenannte Mobilzeit-Modell. Hierbei gebe der Mitarbeiter Darlehen in Geld oder in Zeit, die er jedoch in diesen Fällen entweder gar nicht mehr oder nur unverzinst zurückerhalten und somit aus seinem Kapital - vom Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen während der Laufzeit der Klauseln abgesehen - keine Rendite ziehen könne. Becker-Freyseng betonte thesenartig, dass der kirchliche Gesetzgeber, der bislang gegen die für die Mitarbeiterseite verlustträchtigen Beteiligungsmodelle keine Einwendungen gehabt hätte, solche wohl auch bei verbesserten Beteiligungsmodellen für seine Mitarbeiter in Zukunft nicht erheben wolle. Künftige Modelle müssten weitaus stärker an den Interessen der Kapitalgeberseite ausgerichtet sein. Das betreffe eine entsprechende Verzinsung ebenso wie Kündigungsmöglichkeiten vor Ende der Laufzeit des Darlehens. Die Einschränkung auf Notsituationen mache wenig Sinn; solche Modelle könnten für die Einrichtung zukunftsfördernd wirken. Erhöhte Mitbestimmungsmöglichkeiten der Darlehensgeber auf die Entscheidungen der Betriebs- und Unternehmensführung bedeuteten natürlich erhöhtes Risiko für den Mitarbeiter. Dabei müsse jedoch darauf geachtet werden, dass der kapitalgebenden Mitarbeiterseite kein höheres Risiko als der Trägerseite zugemutet werden könne. Würde sie nämlich z.B. im Konkursfall Arbeitsplatz und eingesetztes Kapital verlieren, hätte sie ja ein größeres Risiko als ihr Träger zu tragen, der in der Regel weder Kapital noch Arbeitsplatz verlöre. Die bisherige Zwangsverpflichtung aller Mitarbeiter an einer Verlustbeteiligung im wirtschaftlichen Notfall sei durch eine freiwillige Beteiligungsmöglichkeit auf Erfolgsbasis zu ersetzen.

In der Diskussion wurde auf Mitarbeiterseite viel Skepsis formuliert. Immaterielle Beteiligung in wirtschaftlichen Angelegenheiten sei die vorrangige conditio sine qua non auf dem Weg zur Kapitalbeteiligung. Die Arbeitsrechtlichen Kommissionen sollten in der Frage der Bewältigung von Notlagen weniger auf die Mitarbeiter schielen als vielmehr Energie in die Frage des Ausübens politischen Einflusses auf die Änderung von Rahmenbedingungen stecken.

 

Realisierbarkeit von Beteiligungsmodellen

Die Realisierbarkeit von Beteiligungsmodellen aus der Sicht kirchlicher Dienstgeber bewertete Christian Tölken, Vorsitzender des Verbandes von Dienstgebern im Diakonischen Werk der Ev.-Luth. Kirche in Bayern. Der Strukturwandel unserer Zeit führe dazu, dass neben der Neugestaltung der Vergütungssysteme die Beteiligung der Mitarbeitenden das zentrale Thema des nächsten Jahrzehnts sei. Der Wandel müsse zu neuen Organisationsformen führen, die nur partnerschaftlich durch Kommunikation und Identifikation erfolgreich sein könnten. Beteiligung der Mitarbeiter könne durch immaterielle und materielle Komponenten geschehen, die aus einem Humusboden gegenseitigen Vertrauens wachse. Für den Mitarbeiter könnten solche Modelle die Verbesserung der materiellen Situation, eine zusätzliche Möglichkeit der Vermögensbildung und eine verstärkte Integration ins Betriebsgeschehen bedeuten. Für das Unternehmen lägen die Vorteile in einem größeren Verständnis der Mitarbeiter für die materielle Situation, mehr Interesse am Unternehmen und einer Verbesserung der Liquiditätssituation. Um Mehrwert zu schaffen, müssten die Mitarbeitenden ideell motiviert werden, die Leistungen an den Erfolg des Betriebs gekoppelt sein sowie eine partnerschaftliche Zielverständigung erreicht werden. Dies bedeute jedoch die Abkehr von den starren Vergütungssystemen derzeitiger Prägung.

Im Gespräch wurde großes Interesse an neuen Beteiligungsformen sichtbar, es wurden jedoch auch Skepsis und Ängste im Hinblick auf solche Veränderungsprozesse laut. Die mangelhafte Respektierung der Mitbestimmungsrechte der Mitarbeitervertretungen sei keine günstige Ausgangsposition für Veränderungen. Es herrschte die allgemeine Überzeugung, dass das Vergütungssystem des öffentlichen Dienstes ohne Zukunft sei.

 

Ein Praxisbericht

Von praktischen Erfahrungen mit der Koppelung von Arbeitsentgelten an den Unternehmenserfolg berichtete Wolfgang Hennig vom Deutschen Ropten Kreuz Potsdam/Zauch- Belzig. Er betonte, man habe keineswegs neue Dinge erfunden, sondern lediglich in der Wirtschaft schon lange bewährte Modelle auf die eigenen Bedürfnisse übertragen. Mit diesen Modellen sei der Weg der Besitzstandswahrung und der Alimentierung verlassen worden. Die ergebnisorientierte und partnerschaftliche Handlungsweise habe anfangs große Probleme bereitet. Qualitätsmanagement, Flexibilität in der Organisationsstruktur, verbunden mit einer hohen Entscheidungskompetenz der Mitarbeiter seien zwingende Voraussetzung zur gemeinsamen Umsetzung der Modelle gewesen. Die Einführung dieser Modelle sei bislang wirkungsvoll bei der Sicherung der Marktposition und damit der Arbeitsplätze verlaufen. Stichworte der praktischen Umsetzung seien Arbeitszeitkonten über das Kalenderjahr hinaus, Arbeitszeitplanung im Team und orientiert am Kundenbedürfnis, Beteiligung der Mitarbeiter am Jahresergebnis bei gleichzeitigem Wegfall von Urlaubs- und Weihnachtsgeld, Beteiligung der Mitarbeiter am Erfolg des betrieblichen Vorschlagswesens sowie eine Entlohnung / Arbeitszeit nach Auslastung und Auftragsmix (25+X).

Die Diskussion bewegte sich hauptsächlich um zwei verschiedene Perspektiven des Gemeinwohlkriteriums: aus Mitarbeitersicht einerseits und aus der Sicht der Zukunft der gemeinnützigen Arbeitnehmerverbände andererseits. Insgesamt aber zeigte sich, dass im Wege einer organisationsinternen offenen Diskussion vielen Kritikpunkten die Spitze genommen werden könnte.

 

Wegen der großen Teilnehmerzahl wurde kurzfristig ein weiterer Workshop aufgelegt, in dem die Herren Lezius und Donau ihr Referatsthema vertieften.

 

Unternehmerisches Selbstverständnis kirchlicher Einrichtungen

Schwester Basina Kloos, Vorsitzende des Aufsichtsrats der St. Elisabeth GmbH, dem größten "Sozialkonzern" mit rund 14.000 Beschäftigten im Bereich der Katholischen Kirche, stellte sich dem Thema "Einbeziehung der Mitarbeiterseite in die wirtschaftliche Verantwortung caritativer Einrichtungen: Unternehmerisches Selbstverständnis kirchlicher Einrichtungen". In ihrer Einleitung stellte Schwester Basina fest, dass dieses Selbstverständnis bei den Trägern noch nicht geklärt sei. Es stellt sich allerdings die Frage, wer denn die Definitionsmacht dafür habe.

Unternehmerisches Handeln müsse vor allem vor dem Evangelium bestehen können; konsequenterweise dürfte dann die Mitarbeiterbeteiligung kein großes Problem sein. Die Caritas stehe unter dem Druck des Marktes, für eine Marktorientierung gebe es keine Alternative. Kostendruck und Ressourcenverknappung seien jedoch nicht nur eine Bedrohung, sondern stellten auch eine Entwicklungschance dar und eröffneten neue Gestaltungsspielräume. Die spannende Frage sei, ob die caritativen Unternehmen von den "großen Brüdern" in den Ordinariaten akzeptiert würden.

Wohin geht die Reise, fragte Schwester Basina Kloos. Bedingten neue Identitäten eine neue Kultur des Miteinanders? Die Individualisierung in der Gesellschaft erforderte neue Formen der Solidarität, die gestaltet werden müssten. Marktorientierung sei nicht der allein selig machende Weg; die Marktorientierung, die die Verbindung von Ökonomie und Ethik herstelle, sei die Zukunft.

Es sei unchristlich, Mitarbeitern Geld vorzuenthalten, wenn die Zahlen schwarz seien. Zum Stichwort Dynamisierung von Nonprofit-Organisationen durch Unternehmensentwicklung betonte Schwester Basina Kloos, dass die Ansatzpunkte für diese Entwicklung auf der Leitungsebene lägen. Sie erlebe die fehlende Bereitschaft, Veränderungen nicht mit den Mitarbeitern anzugehen, als Leitungsproblem. Ihr unternehmerisches Verständnis sei es, Definitionsmacht nicht an einzelne Personen zu delegieren. Arbeitsplatzerhaltung müsse vorrangiges Ziel sein; sie plädiere für ein gerechteres Vergütungssystem, für eine breite Beteiligung der MAV, für eine ständige Überprüfung der Ziele mit Rückkoppelung an die Mitarbeiter. Materielle Vermögensbeteiligung lehne sie ab, eine Leistungsbeteiligung durch variable Gehaltsbestandteile halte sie für die angemessenere Lösung; diese Haltung stünde jedoch erheblich in der Kritik der MAVen in ihrem Hause. Überbetriebliche Regelungen in Form von Solidarfonds etc. könne sie sich ebenso vorstellen wie eine erweiterte Beteiligung der Mitarbeiter durch betriebliches Vorschlagswesen, durch Selbstverantwortung, -steuerung von Arbeitsprozessen. Ausbildungsplätze müssten erhalten, eher ausgebaut werden. Outsourcing löse keine Probleme und sei ethisch nicht verantwortbar. Grundlage für die Bewältigung dieser schwierigen Aufgaben sei eine entsprechende Qualifizierung der Leitungsebene, die Befähigung zum unternehmerischen Denken und zur Leitung durch Autorität.

Auf der intermediären Ebene komme der MAV eine zentrale Rolle zu; wie bei den Leitungen müsse auch hier die Schulung verbessert werden. Die MAV als Vertreterin der Mitarbeiter müsse auf den verschiedenen Ebenen umfassend einbezogen werden.

"Wir brauchen ein Sensorium für Pluralität, um wirtschaftlich erfolgreich und ethisch verantwortlich zu handeln", forderte Schwester Basina Kloos.

Ihre Erwartungen an die Kirche und deren Caritasverband seien, dass sich der Deutsche Caritasverband als Verband der Zukunft entwickle. Die Zukunft liege in der langfristigen Sicherung der caritativen Aufgaben auf christlicher Grundlage; man dürfe sich nicht gestalten lassen, sondern müsse selbst aktiv gestalten. Dies erfordere neues Denken. Die Verbindung von christlicher Ethik und wirtschaftlichem Denken müsse das Spezifikum kirchlichen Handelns am Markt sein. Die zehn größten Einrichtungen im Deutschen Caritasverband hätten entsprechende Positionen in ultimativer Form ihrem Spitzenverband präsentiert. Der Deutsche Caritasverband müsse sich überlegen, ob er neben seiner Anwaltsfunktion für Benachteiligte auch eine Vertretungsfunktion für caritative Arbeitgeber wahrnehmen könne und wolle.

 

Grenzen der Umsetzbarkeit von Vermögensbeteiligung aus kirchlicher Sicht

Pater Markus Erhart SJ vom Zentrum für Soziales Management Ludwigshafen untersuchte im letzten Vortrag der Veranstaltung die "Umsetzbarkeit von Vermögensbeteiligungsmodellen in kirchlichen Betriebsstrukturen am Beispiel der katholischen Kirche".

Als Einstieg überprüfte er die katholische Soziallehre auf Aussagen zur Mitarbeiterbeteiligung. Die Katholische Soziallehre sei kein starres Gebilde, sondern entwickle sich an der jeweiligen Realität. Mehrere Sozialenzyklen in den letzten 40 Jahren hätten die Mitarbeiterbeteiligung am Unternehmen befürwortet und eingefordert. In einem zweiten Schritt bewertete Pater Erhart die unterschiedlichen Formen der Mitarbeiterbeteiligung aus Sicht der katholischen Soziallehre. Grundsätzlich seien alle Wege gangbar, die Umsetzung müsse an den Kriterien der Gerechtigkeit und des Gemeinwohls ansetzen.

In Folge widmete sich Pater Erhart der Unterscheidung zwischen kirchlichen Einrichtungen und anderen Organisationen. Es gebe Wesensunterschiede; die Zweckbestimmung kirchlicher Einrichtungen sei auf das Heil der Menschen ausgerichtet. Caritas sei kirchlicher Zweck im ureigensten Sinne, nicht nachrangig zu Verkündigung und Liturgie. Sie sei konstitutiver Teil der Kirche, die Zweckbestimmung der Caritas ergebe sich aus dem Auftrag der Kirche.

Für eine Beurteilung der Machbarkeit von Vermögensbeteiligungsmodellen dürfe man das Kirchenrecht (CIC) nicht außer Acht lassen. Kirchenrecht sei eine theologische Disziplin, keine juristische. Man unterscheide zwischen kirchlichem Vermögen und kirchlichem Privatvermögen; da Mitarbeiterbeteiligung vermögensrechtlich gesehen kein kirchlicher Zweck sei, kämen nur wenige Formen der materiellen Mitarbeiterbeteiligung in Frage.

Materielle Beteiligung sei nur im engen Rahmen möglich, immaterielle Beteiligung dagegen auf breiter Basis. In einem weiteren Schritt beleuchtete Pater Erhart die Anwendbarkeit möglicher Beteiligungsmodelle in kirchlichen Einrichtungen und die Bedeutung für die Arbeit dort. Sein Fazit: Mitarbeiterbeteiligung fördern ja, aber unter den spezifischen Bedingungen der Kirche.

 

Die Abschlussdiskussion

Unter der Moderation von Tilman Kleinjung vom Bayerischen Rundfunk äußerten sich Hannes Kreller, Verbandssekretär der KAB Süddeutschlands, Michael Lezius, Rolf Lodde, Mitglied der AK des Deutschen Caritasverbandes Dienstgeberseite, Frau Prof. Dr. Renate Oxenknecht und Christian Tölken zur Notwendigkeit und Realisierbarkeit von Vermögensbeteiligungsmodellen.

Es bestand Konsens, dass zunächst der immaterielle Bereich als Grundlage für weitergehende Beteiligungsschritte ausgebaut werden müsse. Es erhob sich die Frage: Wem gehört die Caritas? Wenn sie denn kirchliches Eigentum der Einrichtungen der verbandlichen Caritas sei, verbiete sich der Erwerb von Anteilen an kirchlichem Eigentum, wurde argumentiert. In der Gegenrede wurde hervorgehoben, dass das Prinzip der Dienstgemeinschaft der Schlüssel für die Mitgestaltung sei. Nur Politik der kleinen Schritte könne erfolgreich sein, eine Veränderung in den Köpfen sei nötig. Diese führe zur Veränderung des Denkens in den Leitungen wie bei den Mitarbeitern. Eine breite Vermögensbeteiligung von Mitarbeitern in kirchlichen Einrichtungen wurde vom Podium eher skeptisch betrachtet, eine modellhafte Erprobung jedoch befürwortet.

 

Fazit der Tagung

Die Tagung war organisatorisch bestens vorbereitet, sie erfreute sich auch dieses Jahr wieder hoher Beliebtheit. Alle Referenten hielten - wie wohltuend - ihre Zeitvorgaben ein; dies führte zu einer geradezu entspannten Atmosphäre.

Inhaltlich hat die Tagung Akzente gesetzt, wie Mitarbeiterbeteiligung immaterieller und materieller Art unter sich ändernden wirtschaftlichen Bedingungen Eingang in die kirchliche Dienstgemeinschaft finden kann. Befürworter wie Bedenkenträger nährten die Erkenntnis, dass solche Modelle mit außerordentlicher Sorgfalt unter Einbeziehung der Mitarbeiter als Partner in der Einrichtung angegangen werden müssen. Heimlichtuereien bisheriger Prägung in kirchlichen Einrichtungen sind absolut kontraproduktiv zum angestrebten Ziel. Es bleibt abzuwarten, wie viele der ausgestreuten Samenkörner auf fruchtbaren Boden fallen. Die Tatsache, dass Dienstgebervertreter/innen und Mitarbeitervertreter/innen gemeinsam sich dem Thema näherten, lässt Positives erwarten. Für die, denen das Thema eher fremd bleibt, war die Veranstaltung jedenfalls eine Horizonterweiterung.

 

Tagung im Jahr 2001

Und alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer erhielten noch eine Perspektive mit auf den Heimweg: die vierte Fachtagung zum kirchlichen Arbeitsrecht findet am 5. und 6. März 2001 wieder in Eichstätt statt zum Thema "Die Europäische Union - ihre Auswirkungen auf kirchliche Einrichtungen und ihre Arbeitsplätze".

 

Die gesamte Tagung 2000 wird - wie in den beiden vergangenen Jahren auch - dokumentiert.

 

Quelle: ZMV März 2000