LAG Niedersachsen, Beschluss vom 17. Mai 2002 - 10 TuBV 22/02 - (Rechtsbeschwerde
zugelassen)
RL 93/104/EG Art 2; DRK-TV § 14; ArbZG § 2 Abs. 1
Leitsätze:
1. Die Richtlinie 93/104/EG des Rates über bestimmte Aspekte der
Arbeitszeitgestaltung vom 23.11.93 erfasst auch den Rettungsdienst.
2. Die Auslegung des Arbeitszeibegriffs in Art. 2 Ziffer 1) der Richtlinie
93/104/EG durch in dem die EuGH in seinem Urteil vom 3.10.2000 (Rs. C-303/98,
AP Nr. 2 zu EWG-Richtline Nr. 93/104-Simap) ist für die nationalen
Gerichte der Mitgliedstaaten bindend. Art. 2 Ziffer 1) der Richtlinie
93/104/EG erlaubt keine Abweichung von der gemeinschaftsweiten Definition
der Arbeitszeit in der Auslegung des EuGH durch den nationalen Gesetzgeber.
3. Der von den Arbeitnehmern in Form persönlicher Anwesenheit in
der Rettungswache erbrachte Bereitschaftsdienst unterfällt dem Begriff
der Arbeitszeit in Art. 2 Ziffer 1) der Richtlinie 93/104/EG in ihrer
Auslegung durch den EuGH, weil die Arbeitnehmer in der Wahl ihres Aufenthaltsortes
auf die Rettungswache beschränkt sind und dem Arbeitgeber uneingeschränkt
zur Verfügung stehen.
4. § 2 Absatz 1 Satz 1 1. Halbsatz ArbZG ist richtlinienkonform
dahin auszulegen, dass Bereitschaftsdienst, in der in Form persönlicher
Anwesenheit in der Rettungswache geleistet werden muss, als Arbeitszeit
anzusehen ist. Der Wortlaut des § 2 Absatz 1 Satz 1 1. Alternative
ArbZG ermöglicht diese nach dem Zweck des Arbeitszeitgesetzes gebotene,
das Ziel der Richtlinie 93/104/EG allein gewährleistende Auslegung.
Der das Ziel der Richtlinie 93/104/EG partiell verkennende gesetzgeberische
Wille, den Bereitschaftsdienst der Ruhezeit zuzuordnen, steht einer
vom Wortlaut des nationalen Rechts noch gedeckten Auslegung im Lichte
des Zwecks der Richtlinien nicht entgegen, weil anzunehmen ist, dass
der Gesetzgeber den Bereitschaftsdienst in Form persönlicher Anwesenheit
am Arbeitsplatz der Arbeitszeit zugeordnet hätte, wenn er das Regelungziel
der Richtlinie 93/104/IG erkannt hätte.
5. Die höchst zulässige durchschnittliche wöchentliche
Arbeitszeit beträgt 48 Stunden unter Einbeziehung des Bereitschaftsdienstes.
6. Aus der arbeitszeitrechtlichen Einordnung des Bereitschaftsdienstes
aufgrund der Regelung in Art. 2 Ziffer 1) Richtlinie 93/104/EG können
keine Rückschlüsse auf die vergütungsrechtliche Behandlung
des Bereitschaftsdienstes gezogen werden.
LAG Niedersachsen, Beschluss vom 17. Mai 2002 - 10 TuBV 22/02 - (Rechtsbeschwerde
zugelassen)