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URTEIL DES GERICHTSHOFES
3. Oktober 2000
Sozialpolitik - Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer
- Richtlinien 89/391/EWG
und 93/104/EG - Anwendungsbereich
- Ärzte von Teams zur medizinischen Grundversorgung - Durchschnittliche
Arbeitszeit - Einbeziehung von Bereitschaftsdienst - Nacht- und
Schichtarbeiter
In der Rechtssache C-303/98
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt
Artikel 234 EG) vom Tribunal Superior de Justicia de la Comunidad
Valenciana (Spanien) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit
Sindicato de Médicos de Asistencia Pública (Simap)
gegen
Conselleria de Sanidad y Consumo de la Generalidad Valenciana
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung
der Richtlinien 89/391/EWG des Rates vom 12. Juni 1989 über
die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit
und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit (ABl.
L 183, S. 1) und 93/104/EG des Rates vom 23. November 1993 über
bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. L 307, S. 18)
erläßt
DER GERICHTSHOF
unter Mitwirkung des Präsidenten G. C. Rodríguez Iglesias,
der Kammerpräsidenten J. C. Moitinho de Almeida (Berichterstatter),
D. A. O. Edward, L. Sevón und R. Schintgen sowie der Richter
P. J. G. Kapteyn, C. Gulmann, J.-P. Puissochet, P. Jann, H. Ragnemalm
und M. Wathelet,
Generalanwalt: A. Saggio
Kanzler: D. Louterman-Hubeau, Hauptverwaltungsrätin
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
-des Sindicato de Médicos de Asistencia Pública (Simap),
vertreten durch Rechtsanwalt D. Rivera AuÒón,
-der Conselleria de Sanidad y Consumo de la Generalidad Valenciana,
vertreten durch J. Pla Gimeno, Jurist in der Rechtsabteilung der
Generalidad Valenciana, als Bevollmächtigten,
-der spanischen Regierung, vertreten durch Abogado del Estado M.
López-Monís Gallego als Bevollmächtigte,
-der finnischen Regierung, vertreten durch die Regierungsbeauftragte
T. Pynnä als Bevollmächtigte,
-der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch
Assistant Treasury Solicitor J. E. Collins als Bevollmächtigten
im Beistand von Barrister D. Anderson,
-der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten
durch Rechtsberater D. Gouloussis und I. Martínez del Peral,
Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen des Sindicato
de Médicos de Asistencia Pública (Simap), vertreten
durch Rechtsanwalt D. Rivera AuÒón, der Conselleria
de Sanidad y Consumo de la Generalidad Valenciana, vertreten durch
J. Pla Gimeno, der spanischen Regierung, vertreten durch Abogado
del Estado N. Díaz Abad, als Bevollmächtigte, der finnischen
Regierung, vertreten durch T. Pynnä, und der Kommission, vertreten
durch D. Gouloussis und I. Martínez del Peral, in der Sitzung
vom 28. September 1999,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in
der Sitzung vom 16. Dezember 1999,
folgendes
Urteil
- 1.
- Das Tribunal Superior de Justicia de la Comunidad Valenciana hat
mit Beschluss vom 10. Juli 1998, beim Gerichtshof eingegangen am 3.
August 1998, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel
234 EG) fünf Fragen nach der Auslegung der Richtlinien 89/391/EWG
des Rates vom 12. Juni 1989 über die Durchführung von Maßnahmen
zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer
bei der Arbeit (ABl. L 183, S. 1; im Folgenden: Grundrichtlinie) und
93/104/EG des Rates vom 23. November 1993 über bestimmte Aspekte
der Arbeitszeitgestaltung (ABl. L 307, S. 18) zur Vorabentscheidung
vorgelegt.
- 2.
- Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen dem Sindicato
de Médicos de Asistencia Pública de la Comunidad Valenciana
(Gewerkschaft der Ärzte im öffentlichen Gesundheitswesen
der Region Valencia; im Folgenden: Simap) und der Conselleria de Sanidad
y Consumo de la Generalidad Valenciana (Ministerium für Gesundheit
und Verbraucherschutz der Regionalregierung von Valencia), gegen die
Simap eine kollektivarbeitsrechtliche Klage bezüglich des ärztlichen
Personals erhoben hat, das in den Teams zur medizinischen Grundversorgung
der Gesundheitszentren der Region Valencia Dienst tut.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsregelung
Die Grundrichtlinie
- 3.
- Die Grundrichtlinie ist die einschlägige Rahmenrichtlinie.
Sie enthält die allgemeinen Grundsätze, die später
in einer Reihe von Einzelrichtlinien, darunter die Richtlinie 93/104,
näher ausgeführt wurden.
- 4.
- Der Anwendungsbereich der Grundrichtlinie ist in ihrem Artikel 2
folgendermaßen definiert:
(1) Diese Richtlinie findet Anwendung auf alle privaten oder öffentlichen
Tätigkeitsbereiche (gewerbliche, landwirtschaftliche, kaufmännische,
verwaltungsmäßige sowie dienstleistungs- oder ausbildungsbezogene,
kulturelle und Freizeittätigkeiten usw.).
(2)Diese Richtlinie findet keine Anwendung, soweit dem Besonderheiten
bestimmter spezifischer Tätigkeiten im öffentlichen Dienst,
z. B. bei den Streitkräften oder der Polizei, oder bestimmter
spezifischer Tätigkeiten bei den Katastrophenschutzdiensten
zwingend entgegenstehen.
In diesen Fällen ist dafür Sorge zu tragen, dass unter
Berücksichtigung der Ziele dieser Richtlinie eine größtmögliche
Sicherheit und ein größtmöglicher Gesundheitsschutz
der Arbeitnehmer gewährleistet ist.
Die Richtlinie 93/104
- 5.
- Die Richtlinie 93/104 dient der Verbesserung von Sicherheit, Arbeitshygiene
und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer bei der Arbeit. Sie wurde auf
der Grundlage des Artikels 118a EG-Vertrag (die Artikel 117 bis 120
EG-Vertrag sind durch die Artikel 136 EG bis 143 EG ersetzt worden)
erlassen.
- 6.
- Die ersten beiden Artikel der Richtlinie 93/104 definieren deren
Gegenstand und Anwendungsbereich sowie die Tragweite und Bedeutung
der verwendeten Begriffe.
- 7.
- Artikel 1 (Gegenstand und Anwendungsbereich) der Richtlinie lautet:
(1) Diese Richtlinie enthält Mindestvorschriften für
Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeitszeitgestaltung.
(2) Gegenstand dieser Richtlinie sind
a) die täglichen und wöchentlichen Mindestruhezeiten,
der Mindestjahresurlaub, die Ruhepausen, und die wöchentliche
Höchstarbeitszeit sowie
b) bestimmte Aspekte der Nacht- und der Schichtarbeit sowie des
Arbeitsrhythmus.
(3) Diese Richtlinie findet unbeschadet des Artikels 17 Anwendung
auf alle privaten oder öffentlichen Tätigkeitsbereiche
im Sinne des Artikels 2 der Richtlinie 89/391/EWG, mit Ausnahme
des Straßen-, Luft-, See- und Schienenverkehrs, der Binnenschiffahrt,
der Seefischerei, anderer Tätigkeiten auf See sowie der Tätigkeiten
der Ärzte in der Ausbildung.
(4) Die Bestimmungen der Richtlinie 89/391/EWG finden unbeschadet
strengerer und/oder spezifischer Vorschriften in der vorliegenden
Richtlinie auf die in Absatz 2 genannten Bereiche voll Anwendung.
- 8.
- Artikel 2 der Richtlinie sieht unter der Überschrift Begriffsbestimmungen
vor:
Im Sinne dieser Richtlinie sind:
1. Arbeitszeit: jede Zeitspanne, während der ein Arbeitnehmer
gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder
Gepflogenheiten arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht
und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt;
2. Ruhezeit: jede Zeitspanne außerhalb der Arbeitszeit;
3. Nachtzeit: jede, in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften
festgelegte Zeitspanne von mindestens sieben Stunden, welche auf
jeden Fall die Zeitspanne zwischen 24 Uhr und 5 Uhr umfasst;
4. Nachtarbeiter:
a)einerseits: jeder Arbeitnehmer, der während der Nachtzeit
normalerweise mindestens drei Stunden seiner täglichen Arbeitszeit
verrichtet;
b) andererseits: jeder Arbeitnehmer, der während der Nachtzeit
gegebenenfalls einen bestimmten Teil seiner jährlichen Arbeitszeit
verrichtet, der nach Wahl des jeweiligen Mitgliedstaats festgelegt
wird:
i) nach Anhörung der Sozialpartner in den einzelstaatlichen
Rechtsvorschriften oder
ii) in Tarifverträgen oder Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern
auf nationaler oder regionaler Ebene;
5. Schichtarbeit: jede Form der Arbeitsgestaltung kontinuierlicher
oder nicht kontinuierlicher Art mit Belegschaften, bei der Arbeitnehmer
nach einem bestimmten Zeitplan, auch im Rotationsturnus, sukzessive
an den gleichen Arbeitsstellen eingesetzt werden, so dass sie ihre
Arbeit innerhalb eines Tage[...] oder Wochen umfassenden
Zeitraums zu unterschiedlichen Zeiten verrichten müssen;
6. Schichtarbeiter: jeder in einem Schichtarbeitsplan eingesetzte
Arbeitnehmer.
- 9.
- Die Richtlinie 93/104 enthält eine Reihe von Vorschriften über
die wöchentliche Höchstarbeitszeit, die täglichen und
wöchentlichen Mindestruhezeiten, den Jahresurlaub sowie die Dauer
und die Bedingungen der Nacht- und der Schichtarbeit.
- 10.
- Bezüglich der wöchentlichen Höchstarbeitszeit bestimmt
Artikel 6 der Richtlinie 93/104:
Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen,
damit nach Maßgabe der Erfordernisse der Sicherheit und des
Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer:
1. die wöchentliche Arbeitszeit durch innerstaatliche Rechts-
und Verwaltungsvorschriften oder in Tarifverträgen oder Vereinbarungen
zwischen den Sozialpartnern festgelegt wird;
2. die durchschnittliche Arbeitszeit pro Siebentageszeitraum 48
Stunden einschließlich der Überstunden nicht überschreitet.
- 11.
- Bezüglich der Dauer der Nachtarbeit sieht Artikel 8 der Richtlinie
93/104 vor:
Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen,
damit:
1. die normale Arbeitszeit für Nachtarbeiter im Durchschnitt
acht Stunden pro 24-Stunden-Zeitraum nicht überschreitet.
2. Nachtarbeiter, deren Arbeit mit besonderen Gefahren oder einer
erheblichen körperlichen oder geistigen Anspannung verbunden
ist, in einem 24-Stunden-Zeitraum, während dem sie Nachtarbeit
verrichten, nicht mehr als acht Stunden arbeiten.
Zum Zwecke dieser Nummer wird im Rahmen von einzelstaatlichen Rechtsvorschriften
und/oder Gepflogenheiten oder von Tarifverträgen oder Vereinbarungen
zwischen den Sozialpartnern festgelegt, welche Arbeit unter Berücksichtigung
der Auswirkungen der Nachtarbeit und der ihr eigenen Risiken mit
besonderen Gefahren oder einer erheblichen körperlichen und
geistigen Anspannung verbunden ist.
- 12.
- Artikel 15 der Richtlinie 93/104 bestimmt:
Das Recht der Mitgliedstaaten, für die Sicherheit und den
Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigere Rechts- und Verwaltungsvorschriften
anzuwenden oder zu erlassen oder die Anwendung von für die
Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigeren
Tarifverträgen oder Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern
zu fördern oder zu gestatten, bleibt unberührt.
- 13.
- Artikel 16 der Richtlinie 93/104 legt die Bezugszeiträume fest,
die bei der Anwendung der in den Randnummern 9 bis 12 dieses Urteils
zitierten Vorschriften zu berücksichtigen sind. Er lautet wie
folgt:
Die Mitgliedstaaten können für die Anwendung der folgenden
Artikel einen Bezugszeitraum vorsehen, und zwar
1. für Artikel 5 (wöchentliche Ruhezeit) einen Bezugszeitraum
bis zu 14 Tagen;
2. für Artikel 6 (wöchentliche Höchstarbeitszeit)
einen Bezugszeitraum bis zu vier Monaten.
Die nach Artikel 7 gewährten Zeiten des bezahlten Jahresurlaubs
sowie die Krankheitszeiten bleiben bei der Berechnung des Durchschnitts
unberücksichtigt oder sind neutral;
3. für Artikel 8 (Dauer der Nachtarbeit) einen Bezugszeitraum,
der nach Anhörung der Sozialpartner oder in Tarifverträgen
oder Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern auf nationaler oder
regionaler Ebene festgelegt wird.
Fällt die aufgrund von Artikel 5 verlangte wöchentliche
Mindestruhezeit von 24 Stunden in den Bezugszeitraum, so bleibt
sie bei der Berechnung des Durchschnitts unberücksichtigt.
- 14.
- Die Richtlinie 93/104 sieht aufgrund der Besonderheiten bestimmter
Tätigkeiten unter bestimmten Voraussetzungen eine Reihe von Abweichungen
von ihren Grundregeln vor. Insoweit bestimmt Artikel 17:
(1) Unter Beachtung der allgemeinen Grundsätze des Schutzes
der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer können die
Mitgliedstaaten von den Artikeln 3, 4, 5, 6, 8 und 16 abweichen,
wenn die Arbeitszeit wegen der besonderen Merkmale der ausgeübten
Tätigkeit nicht gemessen und/oder nicht im Voraus festgelegt
wird oder von den Arbeitnehmern selbst festgelegt werden kann, und
zwar insbesondere in Bezug auf nachstehende Arbeitnehmer:
a) leitende Angestellte oder sonstige Personen mit selbständiger
Entscheidungsbefugnis;
b) Arbeitskräfte, die Familienangehörige sind;
c) Arbeitnehmer, die im liturgischen Bereich von Kirchen oder Religionsgemeinschaften
beschäftigt sind.
(2) Sofern die betroffenen Arbeitnehmer gleichwertige Ausgleichsruhezeiten
oder in Ausnahmefällen, in denen die Gewährung solcher
gleichwertigen Ausgleichsruhezeiten aus objektiven Gründen
nicht möglich ist, einen angemessenen Schutz erhalten, kann
im Wege von Rechts- und Verwaltungsvorschriften oder im Wege von
Tarifverträgen oder Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern
abgewichen werden:
2.1. von den Artikel 3, 4, 5, 8 und 16:
a) bei Tätigkeiten, die durch eine Entfernung zwischen dem
Arbeitsplatz und dem Wohnsitz des Arbeitnehmers oder durch eine
Entfernung zwischen verschiedenen Arbeitsplätzen des Arbeitnehmers
gekennzeichnet sind;
b) für den Wach- und Schließdienst sowie die Dienstbereitschaft,
die durch die Notwendigkeit gekennzeichnet sind, den Schutz von
Sachen und Personen zu gewährleisten, und zwar insbesondere
in Bezug auf Wachpersonal oder Hausmeister oder Wach- und Schließunternehmen;
c) bei Tätigkeiten, die dadurch gekennzeichnet sind, dass
die Kontinuität des Dienstes oder der Produktion gewährleistet
sein muss, und zwar insbesondere bei
i) Aufnahme-, Behandlungs- und/oder Pflegediensten von Krankenhäusern
oder ähnlichen Einrichtungen, Heimen sowie Gefängnissen,
...
(3) Von den Artikeln 3, 4, 5, 8 und 16 kann abgewichen werden im
Wege von Tarifverträgen oder Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern
auf nationaler oder regionaler Ebene oder, bei zwischen den Sozialpartnern
getroffenen Abmachungen, im Wege von Tarifverträgen oder Vereinbarungen
zwischen Sozialpartnern auf niedrigerer Ebene.
...
(4) Die in Absatz 2 Nummern 2.1 und 2.2 und in Absatz 3 vorgesehene
Möglichkeit der Abweichung von Artikel 16 Nummer 2 darf nicht
die Festlegung eines Bezugszeitraums zur Folge haben, der länger
ist als sechs Monate.
Den Mitgliedstaaten ist es jedoch mit der Maßgabe, dass sie
dabei die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes
der Arbeitnehmer wahren, freigestellt zuzulassen, dass in den Tarifverträgen
oder Vereinbarungen zwischen Sozialpartnern aus objektiven, technischen
oder arbeitsorganisatorischen Gründenlängere Bezugszeiträume
festgelegt werden, die auf keinen Fall zwölf Monate überschreiten
dürfen.
...
- 15.
- Artikel 18 der Richtlinie 93/104 sieht vor:
(1) a) Die Mitgliedstaaten setzen die erforderlichen Rechts- und
Verwaltungsvorschriften in Kraft, um dieser Richtlinie spätestens
am 23. November 1996 nachzukommen, oder sie vergewissern sich spätestens
zu diesem Zeitpunkt, dass die Sozialpartner mittels Vereinbarungen
die erforderlichen Bestimmungen einführen; dabei sind die Mitgliedstaaten
gehalten, die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, damit sie
jederzeit gewährleisten können, dass die von der Richtlinie
vorgeschriebenen Ergebnisse erzielt werden.
b) i) Es ist einem Mitgliedstaat jedoch freigestellt, Artikel 6
nicht anzuwenden, wenn er die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit
und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer einhält und mit
den erforderlichen Maßnahmen dafür sorgt, dass
- kein Arbeitgeber von einem Arbeitnehmer verlangt, im Durchschnitt
des in Artikel 16 Nummer 2 genannten Bezugszeitraums mehr als 48
Stunden innerhalb eines Siebentagezeitraums zu arbeiten, es sei
denn der Arbeitnehmer hat sich hierzu bereit erklärt;
- keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen, dass er nicht
bereit ist, eine solche Arbeit zu leisten;
- der Arbeitgeber aktuelle Listen über alle Arbeitnehmer führt,
die eine solche Arbeit leisten;
- die Listen den zuständigen Behörden zur Verfügung
gestellt werden, die aus Gründen der Sicherheit und/oder des
Schutzes der Gesundheit der Arbeitnehmer die Möglichkeit zur
Überschreitung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit
unterbinden oder einschränken können;
- der Arbeitgeber die zuständigen Behörden auf Ersuchen
darüber unterrichtet, welche Arbeitnehmer sich dazu bereit
erklärt haben, im Durchschnitt des in Artikel 16 Nummer 2 genannten
Bezugszeitraums mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentagezeitraums
zu arbeiten.
...
Nationale Regelung
- 16.
- Artikel 6 des Real Decreto Nr. 137/84 vom 11. Januar 1984 (BOE Nr.
27 vom 1. Februar 1984, S. 2627) sieht unter der Überschrift
Arbeitszeit vor:
Das Personal der Teams zur medizinischen Grundversorgung arbeitet
unbeschadet möglicher Verpflichtungen aufgrund von Bereitschaftsdienst
vierzig Stunden pro Woche. Es hat entsprechend den Statuten des
ärztlichen Personals und des medizinischen Hilfspersonals im
Bereich der sozialen Sicherheit sowie deren Durchführungsvorschriften
Hausbesuche zu machen und Notfallversorgung zu leisten.
Im ländlichen Bereich erfolgt die medizinische Versorgung
im regelmäßigen Dienst und im Notdienst vormittags und
nachmittags im Gesundheitszentrum, in örtlichen Praxen und
zu Hause.
Unter den Teammitgliedern werden Wechselschichten für den
Notdienst festgesetzt, der an sämtlichen Tagen der Woche im
Gesundheitszentrum geleistet wird.
- 17.
- Mit Entscheidung vom 20. November 1992, veröffentlicht im Anhang
des Beschlusses vom 15. Januar 1993 (BOE Nr. 28 vom 2. Februar 1993,
S. 2864), genehmigte die Regierung eine Vereinbarung, die die staatliche
Gesundheitsverwaltung und die repräsentativsten Gewerkschaftsorganisationen
im Bereich der medizinischen Grundversorgung in Spanien am 3. Juli
1992 getroffen hatten. Im Anhang dieser Entscheidung, der die Vereinbarungen
im Bereich der medizinischen Grundversorgung betrifft, ist unter der
Überschrift B) Bereitschaftsdienst bestimmt:
... Allgemein wird der Bereitschaftsdienst auf höchstens 425
Stunden pro Jahr festgesetzt. Für Teams zur medizinischen Grundversorgung
im ländlichen Bereich, die zwangsläufig die allgemein
vorgesehenen 425 Stunden Bereitschaftsdienst pro Jahr überschreiten,
wird der Bereitschaftsdienst auf maximal 850 Stunden pro Jahr mit
dem Ziel einer schrittweisen Senkung dieser Stundenzahl festgesetzt
...
- 18.
- Für die Region Valencia wurde am 7. Mai 1993 ferner eine Vereinbarung
zwischen den repräsentativsten Gewerkschaftsverbänden und
der Regionalverwaltung getroffen, deren Wortlaut dem in der vorstehenden
Randnummer wiedergegebenen Text ähnelt. Diese Vereinbarung sieht
insbesondere vor:
Der Bereitschaftsdienst des Personals wird auf höchstens 425
Stunden pro Jahr festgesetzt. Für Teams zur medizinischen Grundversorgung
im ländlichen Bereich, die zwangsläufig die allgemein
vorgesehenen 425 Stunden Bereitschaftsdienst pro Jahr überschreiten,
wird der Bereitschaftsdienst auf maximal 850 Stunden pro Jahrmit
dem Ziel einer schrittweisen Senkung dieser Stundenzahl festgesetzt;
zu diesem Zweck werden im Rahmen der entsprechenden Haushaltsmittel
zusätzliche Ärzte und medizinisch-technische Assistenten
eingestellt ...
- 19.
- Mit Entscheidung der Conselleria de Sanidad y Consumo de la Generalidad
Valenciana vom 20. November 1991 wurde eine Verordnung über die
Organisation und Arbeitsweise der Teams zur medizinischen Grundversorgung
der Region Valencia (im Folgenden: Verordnung) erlassen. Artikel 17
Absatz 3 dieser Verordnung entspricht Artikel 6 des Real Decreto Nr.
137/84.
- 20.
- Mit Urteil vom 15. Dezember 1993 erklärte der Senat für
Verwaltungssachen des Tribunal Superior de Justicia de la Communidad
Valenciana die Entscheidung über die Genehmigung der Verordnung
für nichtig.
- 21.
- Am 21. September 1995 wurde das Real Decreto Nr. 1561/95 über
Sonderarbeitszeiten (BOE Nr. 230 vom 26. September 1995, S. 28606)
erlassen. Sein Anwendungsbereich beschränkt sich auf gewöhnliche
privatrechtliche Arbeitsverhältnisse; es enthält keine das
Gesundheitswesen betreffenden Vorschriften.
Ausgangsverfahren und Vorabentscheidungsfragen
- 22.
- Mit einer kollektivarbeitsrechtlichen Klage gegen die Conselleria
de Sanidad y Consumo de la Generalidad Valenciana beantragte Simap
die Feststellung, dass alle Ärzte, die in den Teams zur medizinischen
Grundversorgung der Region Valencia ihren Dienst leisten, Anspruch
darauf haben,
-dass Artikel 17 Absatz 3 der Verordnung unter Berücksichtigung
der Artikel 6, 8, 15 und 17 der Richtlinie 93/104 ausgelegt wird;
-dass ihre wöchentliche Arbeitszeit einschließlich Überstunden
(gerechnet über vier Monate) vierzig Stunden und die Nachtarbeit
pro 24-Stunden-Zeitraum acht Stunden nicht überschreitet oder
im Fall der Überschreitung gleichwertige Ausgleichsruhezeiten
gewährt werden;
-hilfsweise, dass ihre wöchentliche Arbeitszeit einschließlich
Überstunden (gerechnet über vier Monate) 48 Stunden und
die Nachtarbeit pro 24-Stunden-Zeitraum acht Stunden nicht überschreitet
oder im Fall der Überschreitung gleichwertige Ausgleichsruhezeiten
gewährt werden;
-dass sie als Nacht- und Schichtarbeiter anerkannt werden und demzufolge
vor der Aufnahme dieser Art von Arbeit und danach in regelmäßigen
Zeitabständen die besonderen Schutzmaßnahmen der Artikel
9 bis 13 der Richtlinie 93/104 durchgeführt werden.
- 23.
- Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts wird die Klage in tatsächlicher
Hinsicht damit begründet, dass nach Artikel 17 Absatz 3 der Verordnung,
der Artikel 6 des Real Decreto Nr. 137/84 entspreche, die Ärzte,
die in den Teams zur medizinischen Grundversorgung Dienst täten,
ohne zeitliche Begrenzung, d. h. ohne eine Beschränkung der täglichen,
wöchentlichen, monatlichen oder jährlichen Arbeitszeit arbeiten
müssten. Dabei schließe sich an den gewöhnlichen Arbeitstag
der Bereitschaftsdienst an und an diesen der folgende gewöhnliche
Arbeitstag in dem von der Conselleria de Sanidad y Consumo de la Generalidad
Valenciana gewünschten Rhythmus entsprechend einseitig festgelegten
Erfordernissen. Simap mache weiter geltend, dass ein Arzt eines Teams
zur medizinischen Grundversorgung je nach Wochen- oder Monatsplan
eine ununterbrochene Arbeitszeit von 31 Stunden - ohne nächtliche
Ruhezeit - ableiste, manchmal sogar jeden zweiten Tag, wobei er für
seine Verpflegung selbst zu sorgen habe und zu Nachtzeiten, wenn keine
öffentlichen Verkehrsmittel verfügbar seien, nach eigenem
Ermessen allein und ohne jegliche Sicherheit Hausbesuche machen müsse.
- 24.
- Das vorlegende Gericht führt aus, dass die Ärzte der Teams
zur medizinischen Grundversorgung in Puerto de Sagunto und Burjassot
von acht Uhr bis fünfzehn Uhr arbeiteten; hinzu komme - abgesehen
von unvorhergesehenen Ausnahmefällen, insbesondere bei Vertretung
kranker Kollegen - alle elf Tage Bereitschaftsdienst vom Ende des
Arbeitstages bis um acht Uhr am folgenden Morgen. Die wöchentliche
Arbeitszeit der betroffenen Ärzte betrage vierzig Stunden; hinzuzurechnen
sei gegebenenfalls der Bereitschaftsdienst, der nach der nationalen
Praxis der Auslegung ihres Statuts und der geltenden internen Regelung
Bestandteil der gesetzlichen Arbeitszeit sei.
- 25.
- Ebenso entspreche es der nationalen Praxis bei Ärzten, deren
Beziehung zur Verwaltung sich nach dienstrechtlichen Vorschriften
richte, dass der Bereitschaftsdienst Sonderarbeitszeit sei, die nicht
als Überstunden gelte und ungeachtet des Umfangs der tatsächlich
geleisteten Tätigkeit pauschal vergütet werde.
- 26.
- Im Übrigen würden, wenn der Nacht- oder Bereitschaftsdienst
in Form von Rufbereitschaft geleistet werde, für die maximale
Arbeitszeit nur die tatsächlichen Arbeitsstunden angerechnet.
Der in den Gesundheitseinrichtungen geleistete Bereitschaftsdienst
sei niemals als Überstunden anzusehen; diese stellten eine Verlängerung
der normalen Arbeitszeit bei gleicher Arbeitslast dar, während
der Bereitschaftsdienst unter anderen Bedingungen als die während
der normalen Arbeitszeit verrichtete Tätigkeit geleistet werde.
- 27.
- Das nationale Gericht stellt weiter fest, dass die Richtlinie 93/104
nicht ordnungsgemäß in innerstaatliches spanisches Recht
umgesetzt worden sei. Nur das Real Decreto Nr. 1561/95 sei erlassen
worden, dessen Anwendungsbereich sich auf gewöhnliche privatrechtliche
Arbeitsverhältnisse beschränke und das keine das Gesundheitswesen
betreffenden Vorschriften enthalte.
- 28.
- Das Tribunal Superior de Justicia de la Comunidad Valenciana hat
daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen
zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1.Fragen zur allgemeinen Anwendbarkeit der Richtlinie
a)Sind der Wortlaut des Artikels 118a EG-Vertrag und die Bezugnahme
in Artikel 1 Absatz 3 der Richtlinie 93/104/EG auf alle privaten
oder öffentlichen Tätigkeitsbereiche im Sinne des Artikels
2 der Richtlinie 89/391/EWG, nach dem die Richtlinie keine Anwendung
findet, soweit dem Besonderheiten bestimmter spezifischer Tätigkeiten
im öffentlichen Dienst ... zwingend entgegenstehen, so zu verstehen,
dass die Tätigkeit der von dem Rechtsstreit betroffenen Ärzte
in den Teams zur medizinischen Grundversorgung von diesem Ausschluss
erfasst wird?
b)Artikel 1 Absatz 3 der Richtlinie 93/104/EG verweist unter Verwendung
des Wortes unbeschadet auch auf Artikel 17 der Richtlinie. Zwar
gibt es, wie vorstehend bereits angeführt worden ist, keine
staatliche oder regionale Harmonisierungsregelung; ist dieses Fehlen
aber als eine Abweichung von den Artikeln 3, 4, 5, 6, 8 und 16 anzusehen,
wenn die Arbeitszeit wegen der besonderen Merkmale der ausgeübten
Tätigkeit nicht gemessen und/oder nicht im Voraus festgelegt
wird?
c)Ist dem Ausschluss der Tätigkeiten der Ärzte in der
Ausbildung am Ende des Artikels 1 Absatz 3 im Umkehrschluss zu entnehmen,
dass alle übrigen Ärzte von der Richtlinie erfasst werden?
d)Kommt dem Hinweis, dass die Bestimmungen der Richtlinie 89/391/EWG
auf die in Absatz 2 genannten Bereiche voll Anwendung finden, für
ihre Geltendmachung und Anwendung eine besondere Bedeutung zu?
2. Fragen zur Arbeitszeit
a)Die Arbeitszeit ist in Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie definiert
als jede Zeitspanne, während der ein Arbeitnehmer gemäß
den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten
arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit
ausübt oder Aufgaben wahrnimmt. Soll in Anbetracht der nationalen
Praxis, auf die in diesem Beschluss vorstehend unter Ziffer 8 des
Sachverhalts hingewiesen worden ist, und des Fehlens einer Hamonisierungsvorschrift
die nationale Praxis fortgesetzt werden, wonach die Zeit des Bereitschaftsdienstes
bei den 40 Wochenstundenunberücksichtigt bleibt, oder sind
die für privatrechtliche Arbeitsverhältnisse geltenden
allgemeinen und besonderen Arbeitszeitvorschriften des spanischen
Rechts sinngemäß anzuwenden?
b)Ist, wenn die betreffenden Ärzte Bereitschaftsdienst in
der Weise leisten, dass sie ständig erreichbar, nicht aber
in der Einrichtung persönlich anwesend sind, diese gesamte
Zeit als Arbeitszeit anzusehen oder gemäß der vorstehend
unter Ziffer 8 des Sachverhalts genannten nationalen Praxis nur
die Zeit, die sie für die Tätigkeit tatsächlich aufgewandt
haben, zu der sie jeweils gerufen worden sind?
c)Ist, wenn die betreffenden Ärzte Bereitschaftsdienst in
der Weise leisten, dass sie in der Einrichtung persönlich anwesend
sind, diese gesamte Zeit als normale Arbeitszeit oder entsprechend
der vorstehend unter Ziffer 8 des Sachverhalts genannten nationalen
Praxis als Sonderarbeitszeit anzusehen?
3. Zur durchschnittlichen Arbeitszeit
a)Ist die Zeit des Bereitschaftsdienstes bei der Ermittlung der
durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit gemäß
Artikel 6 Absatz 2 der Richtlinie zu berücksichtigen?
b)Sind die für den Bereitschaftsdienst aufgewandten Stunden
als Überstunden anzusehen?
c)Kann der in Artikel 16 Nummer 2 der Richtlinie genannte Bezugszeitraum
trotz Fehlens einer Harmonisierungsvorschrift Anwendung finden und
ist in diesem Fall die Regelung gemäß Artikel 17 Absätze
2 und 3 in Verbindung mit Absatz 4 über die Abweichungen von
Artikel 16 Nummer 2 anwendbar?
d)Kann Artikel 6 der Richtlinie trotz Fehlens einer Harmonisierungsvorschrift
aufgrund der in Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe b vorgesehenen Möglichkeit,
Artikel 6 nicht anzuwenden, deshalb nicht anwendbar sein, weil der
Arbeitnehmer dieser Arbeit zugestimmt hat? Steht dabei die ausdrückliche
Zustimmung der gewerkschaftlichen Verhandlungspartner in einem Tarifvertrag
der Zustimmung der Arbeitnehmer gleich?
4. Zur Nachtarbeit
a)Sind, wenn die normale Arbeit nicht während der Nachtzeit
verrichtet wird, sondern nur ein Teil des Bereitschaftsdienstes,
der auf einige der betroffenen Ärzte in regelmäßigen
Zeitabständen zukommen kann,nachts geleistet wird, bei Fehlen
einer Harmonisierungsvorschrift diese Ärzte als Nachtarbeiter
im Sinne von Artikel 2 Nummer 4 Buchstabe b der Richtlinie anzusehen?
b)Können die nationalen Rechtsvorschriften über die Nachtarbeit
der privatrechtlich beschäftigten Arbeitnehmer bei der Wahl
gemäß Artikel 2 Nummer 4 Buchstabe b Ziffer i der Richtlinie
auf Ärzte angewandt werden, die in einem öffentlich-rechtlichen
Beschäftigungsverhältnis stehen?
c)Umfasst die normale Arbeitszeit im Sinne von Artikel 8 Nummer
1 der Richtlinie auch den Bereitschaftsdienst, der in Form von Rufbereitschaft
oder persönlicher Anwesenheit geleistet wird?
5. Zur Schichtarbeit und zum Schichtarbeiter
Handelt es sich bei der Arbeit der betroffenen Ärzte um Schichtarbeit
und sind diese Ärzte Schichtarbeiter im Sinne von Artikel 2
Nummern 5 und 6 der Richtlinie, wenn sie nur beim Bereitschaftsdienst
in Schichten arbeiten und wenn eine Harmonisierungsvorschrift fehlt?
Zu den Vorlagefragen
Zum Anwendungsbereich der Richtlinie 93/104 (Fragen 1a, 1c und
1d)
- 29.
- Mit seinen Fragen 1a, 1c und 1d möchte das vorlegende Gericht
wissen, ob die Tätigkeit der Ärzte der Teams zur medizinischen
Grundversorgung in den Anwendungsbereich der Grundrichtlinie und der
Richtlinie 93/104 fällt.
- 30.
- Artikel 1 Absatz 3 der Richtlinie 93/104 definiert deren Anwendungsbereich
unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Artikel 2 der Grundrichtlinie
und unter Festlegung einer Reihe von Ausnahmen für bestimmte
besondere Tätigkeiten.
- 31.
- Um zu bestimmen, ob eine Tätigkeit wie die der Ärzte der
Teams zur medizinischen Grundversorgung in den Anwendungsbereich der
Richtlinie 93/104 fällt, ist daher zunächst zu prüfen,
ob diese Tätigkeit in den Anwendungsbereich der Grundrichtlinie
fällt.
- 32.
- Die Grundrichtlinie findet gemäß ihrem Artikel 2 Absatz
1 Anwendung auf alle privaten oder öffentlichen Tätigkeitsbereiche,
insbesondere auf gewerbliche, landwirtschaftliche, kaufmännische,
verwaltungsmäßige sowie dienstleistungs- oder ausbildungsbezogene,
kulturelle und Freizeittätigkeiten. Wie sich aus Absatz 2 derselben
Vorschrift ergibt, findet die Richtlinie jedoch keine Anwendung, soweit
dem Besonderheiten bestimmter spezifischer Tätigkeiten im öffentlichen
Dienst,z. B. bei den Streitkräften oder der Polizei, oder bestimmter
spezifischer Tätigkeiten bei den Katastrophenschutzdiensten zwingend
entgegenstehen.
- 33.
- Da die Ärzte der Teams zur medizinischen Grundversorgung ihre
Tätigkeiten in einem Rahmen ausüben, aufgrund dessen sie
dem öffentlichen Sektor zuzuordnen sind, ist zu prüfen,
ob diese Tätigkeiten von dem in der vorstehenden Randnummer genannten
Ausschluss erfasst werden.
- 34.
- Sowohl aus dem Ziel der Grundrichtlinie, der Verbesserung der Sicherheit
und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit, als auch
aus dem Wortlaut ihres Artikels 2 Absatz 1 ergibt sich, dass ihr Anwendungsbereich
weit zu verstehen ist.
- 35.
- Folglich sind die Ausnahmen vom Anwendungsbereich der Grundrichtlinie
einschließlich der in ihrem Artikel 2 Absatz 2 vorgesehenen
Ausnahme eng auszulegen.
- 36.
- Außerdem bezieht sich Artikel 2 Absatz 2 der Grundrichtlinie
auf bestimmte spezifische Tätigkeiten im öffentlichen Dienst,
die die öffentliche Sicherheit und Ordnung gewährleisten
sollen und für ein geordnetes Gemeinwesen unentbehrlich sind.
- 37.
- Im Regelfall kann die Tätigkeit des Personals der Teams zur
medizinischen Grundversorgung derartigen Tätigkeiten nicht gleichgesetzt
werden.
- 38.
- Somit fällt die Tätigkeit des Personals der Teams zur
medizinischen Grundversorgung in den Anwendungsbereich der Grundrichtlinie.
- 39.
- Zu prüfen ist daher, ob diese Tätigkeit unter eine der
Ausnahmen der Artikels 1 Absatz 3 der Richtlinie 93/104 fällt.
- 40.
- Das ist nicht der Fall. Nach dieser Vorschrift fallen nur die Tätigkeiten
der Ärzte in der Ausbildung unter die Ausnahmen vom Anwendungsbereich
dieser Richtlinie.
- 41.
- Damit ist auf die Fragen 1a, 1c und 1d zu antworten, dass eine Tätigkeit
wie die der Ärzte der Teams zur medizinischen Grundversorgung
in den Anwendungsbereich der Grundrichtlinie und der Richtlinie 93/104
fällt.
Zur Anwendung von Artikel 17 der Richtlinie 93/104 (Frage 1b)
- 42.
- Mit seiner Frage 1b möchte das vorlegende Gericht wissen, ob
der nationale Richter bei Fehlen ausdrücklicher Maßnahmen
zur Umsetzung der Richtlinie 93/104 das innerstaatliche Recht anwenden
kann, soweit dieses unter Berücksichtigung der Besonderheiten
der Tätigkeit der Ärzte der Teams zur medizinischen Grundversorgung
unter die in Artikel 17 der Richtlinie genannten Abweichungen fällt.
- 43.
- Artikel 17 der Richtlinie 93/104 erlaubt, im Wege von Rechts- und
Verwaltungsvorschriften oder im Wege von Tarifverträgen oder
Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern von den Artikeln 3, 4,
5, 6, 8 und 16 der Richtlinie abzuweichen, wenn bestimmte Voraussetzungen
erfüllt sind. Die in Artikel 17 Absatz 1 genannten Abweichungen
sind nur im Wege von Rechtsetzungs- und Verwaltungsmaßnahmen
zulässig.
- 44.
- Folglich ist das auf eine bestimmte Tätigkeit anwendbare nationale
Recht, wenn es trotz Fehlens ausdrücklicher Maßnahmen zur
Umsetzung der Richtlinie 93/104 die in Artikel 17 der Richtlinie genannten
Voraussetzungen erfüllt, richtlinienkonform, und die nationalen
Gerichte sind durch nichts an seiner Anwendung gehindert.
- 45.
- Somit ist auf die Frage 1b zu antworten, dass der nationale Richter
bei Fehlen ausdrücklicher Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie
93/104 das innerstaatliche Recht anwenden kann, soweit es unter Berücksichtigung
der Besonderheiten der Tätigkeit der Ärzte der Teams zur
medizinischen Grundversorgung die Voraussetzungen des Artikels 17
der Richtlinie erfüllt.
Zum Begriff der Arbeitszeit (Fragen 2a bis 2c, 3a, 3b und 4c)
- 46.
- Mit seinen Fragen 2a bis 2c, 3a, 3b und 4c, die zusammen zu prüfen
sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Bereitschaftsdienst,
den die Ärzte der Teams zur medizinischen Grundversorgung in
Form persönlicher Anwesenheit in den Gesundheitseinrichtungen
oder in Form der Rufbereitschaft leisten, als Arbeitszeit oder als
Überstunden im Sinne der Richtlinie 93/104 anzusehen ist.
- 47.
- Diese Richtlinie definiert die Arbeitszeit als jede Zeitspanne,
während deren ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen
Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeitet, dem Arbeitgeber
zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder
Aufgaben wahrnimmt. Im Regelungszusammenhang der Richtlinie ist dieser
Begriff zudem im Gegensatz zur Ruhezeit zu sehen; beide Begriffe schließen
einander aus.
- 48.
- Im Ausgangsverfahren weist der Bereitschaftsdienst der Ärzte
der Teams zur medizinischen Grundversorgung in Form persönlicher
Anwesenheit in der Gesundheitseinrichtung die charakteristischen Merkmale
des Begriffes der Arbeitszeit auf. Bei dieser Art Bereitschaftsdienst
sind unstreitig die beiden ersten Voraussetzungen erfüllt. Zudem
ist die Verpflichtung der Ärzte, sich zur Erbringung ihrer beruflichen
Leistungen am Arbeitsplatz aufzuhalten und verfügbar zu sein,
als Bestandteil der Wahrnehmung ihrer Aufgaben anzusehen, auch wenn
die tatsächlich geleistete Arbeit von den Umständen abhängt.
- 49.
- Diese Auslegung steht im Übrigen im Einklang mit dem Ziel der
Richtlinie 93/104, die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer
zu gewährleisten, indem ihnen Mindestruhezeiten sowie angemessene
Ruhepausen zugestanden werden (achteBegründungserwägung
der Richtlinie). Wie der Generalanwalt in Nummer 35 seiner Schlussanträge
festgestellt hat, würde dieses Ziel ernsthaft gefährdet,
wenn der Bereitschaftsdienst in Form persönlicher Anwesenheit
nicht unter den Begriff der Arbeitszeit fiele.
- 50.
- Wie der Generalanwalt weiter in Nummer 37 seiner Schlussanträge
ausgeführt hat, gilt etwas anderes, wenn die Ärzte der Teams
zur medizinischen Grundversorgung Bereitschaftsdienst in der Weise
leisten, dass sie ständig erreichbar sind, ohne jedoch zur Anwesenheit
in der Gesundheitseinrichtung verpflichtet zu sein (Rufbereitschaft).
Selbst wenn sie ihrem Arbeitgeber in dem Sinne zur Verfügung
stehen, dass sie erreichbar sein müssen, können die Ärzte
in dieser Situation freier über ihre Zeit verfügen und eigenen
Interessen nachgehen. Unter diesen Umständen ist nur die Zeit,
die für die tatsächliche Erbringung von Leistungen der medizinischen
Grundversorgung aufgewandt wird, als Arbeitszeit im Sinne der Richtlinie
93/104 anzusehen.
- 51.
- Was die Frage betrifft, ob die für Bereitschaftsdienst aufgewandte
Zeit als Überstunden angesehen werden kann, so definiert die
Richtlinie zwar nicht den Begriff der Überstunde, der lediglich
in Artikel 6 über die wöchentliche Höchstarbeitszeit
erwähnt wird, doch fallen Überstunden unter den Begriff
der Arbeitszeit im Sinne der Richtlinie. Die Richtlinie unterscheidet
nämlich nicht danach, ob diese Zeit in der normalen Arbeitszeit
liegt oder nicht.
- 52.
- Auf die Fragen 2a bis 2c, 3a, 3b und 4c ist somit zu antworten,
dass der Bereitschaftsdienst, den die Ärzte der Teams zur medizinischen
Grundversorgung in Form persönlicher Anwesenheit in der Gesundheitseinrichtung
leisten, insgesamt als Arbeitszeit und gegebenenfalls als Überstunden
im Sinne der Richtlinie 93/104 anzusehen ist. Beim Bereitschaftsdienst
in Form von Rufbereitschaft ist nur die Zeit, die für die tatsächliche
Erbringung von Leistungen der medizinischen Grundversorgung aufgewandt
wird, als Arbeitszeit anzusehen.
Zum Nachtarbeitscharakter der Tätigkeit (Fragen 4a und
4b)
- 53.
- Mit seinen Fragen 4a und 4b möchte das vorlegende Gericht wissen,
ob bestimmte Ärzte, die in regelmäßigen Zeitabständen
nachts Bereitschaftsdienst leisten, als Nachtarbeiter im Sinne von
Artikel 2 Nummer 4 Buchstabe b der Richtlinie 93/104 anzusehen sind
und ob bei der Wahl, die der Mitgliedstaat nach dieser Vorschrift
hat, die für privatrechtliche Arbeitsverhältnisse geltenden
nationalen Rechtsvorschriften auf Ärzte angewandt werden können,
die in einem öffentlich-rechtlichen Beschäftigungsverhältnis
stehen.
- 54.
- Aus dem Vorlagebeschluss geht hervor, dass die Ärzte der Teams
zur medizinischen Grundversorgung in Puerto de Sagunto und Burjassot
von acht Uhr bis fünfzehn Uhr arbeiten; hinzu kommt - abgesehen
von unvorhergesehenen Ausnahmefällen, insbesondere bei Vertretung
kranker Kollegen - alle elf Tage Bereitschaftsdienst vom Ende des
Arbeitstages bis um acht Uhr am folgendenMorgen. Die Arbeitszeit der
übrigen Teams zur medizinischen Grundversorgung in der Region
Valencia wird in den Akten nicht genannt, doch das nationale Gericht
geht von dem Grundsatz aus, dass der Bereitschaftsdienst in diesem
Fall nur in regelmäßigen Zeitabständen geleistet wird.
- 55.
- Nach dem Wortlaut des Artikels 2 Nummer 4 Buchstabe a der Richtlinie
93/104 ist Nachtarbeiter jeder Arbeitnehmer, der während der
Nachtzeit normalerweise mindestens drei Stunden seiner täglichen
Arbeitszeit verrichtet. Nach Artikel 2 Nummer 4 Buchstabe b haben
die nationalen Gesetzgeber oder, nach Wahl des jeweiligen Mitgliedstaats,
die Sozialpartner auf nationaler oder regionaler Ebene die Möglichkeit,
auch andere Arbeitnehmer, die während der Nachtzeit einen bestimmten
Teil ihrer jährlichen Arbeitszeit verrichten, als Nachtarbeiter
anzusehen.
- 56.
- Da das Königreich Spanien aber hinsichtlich der in einem öffentlich-rechtlichen
Beschäftigungsverhältnis stehenden Arbeitnehmer keine Maßnahme
gemäß Artikel 2 Nummer 4 Buchstabe b der Richtlinie getroffen
hat, können die Ärzte der Teams zur medizinischen Grundversorgung,
die in regelmäßigen Zeitabständen nachts Bereitschaftsdienst
leisten, nicht bereits aufgrund dieser Vorschrift als Nachtarbeiter
angesehen werden.
- 57.
- Die Frage, ob die nationalen Rechtsvorschriften über die Nachtarbeit
der privatrechtlich beschäftigten Arbeitnehmer bei der Wahl gemäß
Artikel 2 Nummer 4 Buchstabe b Ziffer i der Richtlinie auf die in
einem öffentlich-rechtlichen Beschäftigungsverhältnis
stehenden Ärzte der Teams zur medizinischen Grundversorgung anwendbar
sind, ist vom nationalen Gericht nach den Vorschriften des innerstaatlichen
Rechts zu beantworten.
- 58.
- Auf die Fragen 4a und 4b ist somit zu antworten, dass die Ärzte
der Teams zur medizinischen Grundversorgung, die in regelmäßigen
Zeitabständen nachts Bereitschaftsdienst leisten, nicht bereits
aufgrund von Artikel 2 Nummer 4 Buchstabe b der Richtlinie 93/104
als Nachtarbeiter angesehen werden können. Die Frage, ob die
nationalen Rechtsvorschriften über die Nachtarbeit der privatrechtlich
beschäftigten Arbeitnehmer auf die in einem öffentlich-rechtlichen
Beschäftigungsverhältnis stehenden Ärzte der Teams
zur medizinischen Grundversorgung anwendbar sind, ist vom nationalen
Gericht nach innerstaatlichem Recht zu beantworten.
Zu den Begriffen der Schichtarbeit und des Schichtarbeiters
(fünfte Frage)
- 59.
- Mit seiner fünften Frage möchte das nationale Gericht
wissen, ob die von den Ärzten der Teams zur medizinischen Grundversorgung
während des Bereitschaftsdienstes geleistete Arbeit Schichtarbeit
ist und diese Ärzte Schichtarbeiter im Sinne von Artikel 2 Nummern
5 und 6 der Richtlinie 93/104 sind.
- 60.
- Wie bereits dargelegt, arbeiten die Ärzte der Teams zur medizinischen
Grundversorgung in Puerto de Sagunto und Burjassot von acht Uhr bis
fünfzehn Uhr und leisten zusätzlich - abgesehen von unvorhergesehenen
Ausnahmefällen - alle elf Tage Bereitschaftsdienst vom Ende des
Arbeitstages bis um acht Uhr am folgenden Morgen; hinsichtlich der
Arbeitszeit der übrigen Teams zur medizinischen Grundversorgung
in der Region Valencia geht das nationale Gericht von dem Grundsatz
aus, dass der Bereitschaftsdienst nur in regelmäßigen Zeitabständen
geleistet wird.
- 61.
- Die Arbeitszeit, die für Bereitschaftsdienst in Form persönlicher
Anwesenheit der Ärzte der Teams zur medizinischen Grundversorgung
in den Gesundheitseinrichtungen und für die tatsächliche
Erbringung von Leistungen der medizinischen Grundversorgung während
des Bereitschaftsdienstes in Form von Rufbereitschaft aufgewandt wird,
erfüllt alle Voraussetzungen des Begriffes der Schichtarbeit
im Sinne von Artikel 2 Nummer 5.
- 62.
- Die Ärzte der Teams zur medizinischen Grundversorgung werden
nämlich im Rahmen einer Arbeitsgestaltung beschäftigt, bei
der die Arbeitnehmer im Rotationsturnus nacheinander an den gleichen
Arbeitsplätzen eingesetzt werden, so dass sie ihre Arbeit innerhalb
eines Tage oder Wochen umfassenden Zeitraums zu unterschiedlichen
Zeiten verrichten müssen.
- 63.
- Was insbesondere diese letzte Voraussetzung betrifft, so müssen
die Ärzte ungeachtet dessen, dass der Bereitschaftsdienst in
regelmäßigen Zeitabständen geleistet wird, ihre Arbeit
innerhalb eines Tage oder Wochen umfassenden Zeitraums zu unterschiedlichen
Zeiten verrichten.
- 64.
- Auf die fünfte Frage ist somit zu antworten, dass die von den
Ärzten der Teams zur medizinischen Grundversorgung während
des Bereitschaftsdienstes geleistete Arbeit Schichtarbeit ist und
dass diese Ärzte Schichtarbeiter im Sinne von Artikel 2 Nummern
5 und 6 der Richtlinie 93/104 sind.
Zur Anwendbarkeit der in Artikel 17 Absätze 2, 3 und 4
der Richtlinie 93/104 vorgesehenen Abweichungen (Frage 3c)
- 65.
- Mit seiner Frage 3c möchte das vorlegende Gericht wissen, ob
bei Fehlen nationaler Vorschriften zur Umsetzung von Artikel 16 Nummer
2 der Richtlinie 93/104 oder gegebenenfalls zur ausdrücklichen
Übernahme einer der in Artikel 17 Absätze 2, 3 und 4 der
Richtlinie vorgesehenen Abweichungen diese Bestimmungen dahin ausgelegt
werden können, dass sie unmittelbare Wirkung haben.
- 66.
- Nach Artikel 16 Nummer 2 der Richtlinie dürfen die Mitgliedstaaten
für die Anwendung des Artikels 6 der Richtlinie (wöchentliche
Höchstarbeitszeit) einen Bezugszeitraum von bis zu vier Monaten
vorsehen.
- 67.
- Nach Artikel 17 Absatz 2 Nummer 2.1 Buchstabe c Ziffer i der Richtlinie
93/104 können die Mitgliedstaaten jedoch von Artikel 16 Nummer
2 der Richtlinie bei Tätigkeiten abweichen, die dadurch gekennzeichnet
sind, dass die Kontinuität des Dienstes oder der Produktion gewährleistet
sein muss, und zwar insbesondere bei Aufnahme-, Behandlungs- und/oder
Pflegediensten von Krankenhäusern oder ähnlichen Einrichtungen.
- 68.
- Zwar lassen die Bestimmungen der Richtlinie 93/104 den Mitgliedstaaten
einen gewissen Gestaltungsspielraum bei dem für die Anwendung
des Artikels 6 der Richtlinie festzulegenden Bezugszeitraum. Dies
nimmt jedoch den Bestimmungen, um die es im Ausgangsverfahren geht,
nichts von ihrer Genauigkeit und Unbedingtheit. Denn dieser Gestaltungsspielraum
schließt nicht die Möglichkeit aus, Mindestrechte zu bestimmen
(Urteil des Gerichtshofes vom 14. Juli 1994 in der Rechtssache C-91/92,
Faccini Dori, Slg. 1994, I-3325, Randnr. 17).
- 69.
- Insoweit ergibt sich aus dem Wortlaut von Artikel 17 Absatz 4 der
Richtlinie, dass der Bezugszeitraum auf keinen Fall zwölf Monate
überschreiten darf. Somit läßt sich ein Mindestschutz
bestimmen, der auf jeden Fall zu verwirklichen ist.
- 70.
- Folglich ist auf die Frage 3c zu antworten, dass bei Fehlen nationaler
Vorschriften zur Umsetzung von Artikel 16 Nummer 2 der Richtlinie
93/104 oder gegebenenfalls zur ausdrücklichen Übernahme
einer der in Artikel 17 Absätze 2, 3 und 4 der Richtlinie vorgesehenen
Abweichungen diese Bestimmungen dahin ausgelegt werden können,
dass sie unmittelbare Wirkung haben, und daher dem Einzelnen einen
Anspruch darauf geben, dass der Bezugszeitraum für die Festlegung
ihrer wöchentlichen Höchstarbeitszeit zwölf Monate
nicht überschreitet.
Zur Anwendbarkeit des Artikels 18 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie
93/104 (Frage 3d)
- 71.
- Mit seiner Frage 3d möchte das vorlegende Gericht wissen, ob
die ausdrückliche Zustimmung der gewerkschaftlichen Verhandlungspartner
in einem Tarifvertrag der Zustimmung des Arbeitnehmers im Sinne des
Artikels 18 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer i erster Gedankenstrich der
Richtlinie 93/104 gleichsteht.
- 72.
- Diese Bestimmung erlaubt den Mitgliedstaaten, Artikel 6 über
die wöchentliche Höchstarbeitszeit nicht anzuwenden, wenn
sie die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes
der Arbeitnehmer einhalten und die Arbeitszeit im Durchschnitt des
in Artikel 16 Nummer 2 genannten Bezugszeitraums 48 Stunden innerhalb
eines Siebentagezeitraums nicht überschreitet. Der Arbeitnehmer
kann sich jedoch bereit erklären, länger zu arbeiten.
- 73.
- Aus dem Wortlaut des Artikels 18 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer i erster
Gedankenstrich der Richtlinie 93/014 geht klar hervor, dass diese
Bestimmung die individuelle Zustimmung des Arbeitnehmers verlangt.
Im Übrigen hat die Regierung des Vereinigten Königreichs
zu Recht geltend gemacht, dass, wenn der Gemeinschaftsgesetzgeber
beabsichtigt hätte, die Zustimmung des Arbeitnehmers durch die
ausdrückliche Zustimmung einer Gewerkschaft in einem Tarifvertrag
zu ersetzen, Artikel 6 der Richtlinie in die in Artikel 17 Absatz
3 der Richtlinie enthaltene Liste der Artikel aufgenommen worden wäre,
von denen im Wege von Tarifverträgen oder Vereinbarungen zwischen
den Sozialpartnern abgewichen werden kann.
- 74.
- Folglich ist Frage 3d dahin zu beantworten, dass die ausdrückliche
Zustimmung der gewerkschaftlichen Verhandlungspartner in einem Tarifvertrag
der Zustimmung des Arbeitnehmers selbst im Sinne des Artikels 18 Absatz
1 Buchstabe b Ziffer i erster Gedankenstrich der Richtlinie 93/104
nicht gleichsteht.
Kosten
- 75.
- Die Auslagen der spanischen und der finnischen Regierung, der Regierung
der Vereinigten Königreichs und der Kommission der Europäischen
Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben
haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des
Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei
dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung
ist daher Sache dieses Gerichts.
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF
auf die ihm vom Tribunal Superior de Justicia de la Comunidad Valenciana
mit Beschluss vom 10. Juli 1998 vorgelegten Fragen für Recht
erkannt:
1.Eine Tätigkeit wie die der Ärzte der Teams zur medizinischen
Grundversorgung fällt in den Anwendungsbereich der Richtlinien
89/391/EWG des Rates vom 12. Juni 1989 über die Durchführung
von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes
der Arbeitnehmer bei der Arbeit und 93/104/EG des Rates vom 23.
November 1993 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung.
2.Der nationale Richter kann bei Fehlen ausdrücklicher Maßnahmen
zur Umsetzung der Richtlinie 93/104 das innerstaatliche Recht anwenden,
soweit es unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Tätigkeit
der Ärzte der Teams zur medizinischen Grundversorgung die Voraussetzungen
des Artikels 17 der Richtlinie erfüllt.
3. Der Bereitschaftsdienst, den die Ärzte der Teams zur medizinischen
Grundversorgung in Form persönlicher Anwesenheit in der Gesundheitseinrichtung
leisten, ist insgesamt als Arbeitszeit und gegebenenfalls als Überstunden
im Sinne der Richtlinie 93/104 anzusehen. Beim Bereitschaftsdienst
in Form ständiger Erreichbarkeit ist nur die Zeit, die für
die tatsächliche Erbringung von Leistungen der medizinischen
Grundversorgung aufgewandt wird, als Arbeitszeit anzusehen.
4.Die Ärzte der Teams zur medizinischen Grundversorgung, die
in regelmäßigen Zeitabständen nachts Bereitschaftsdienst
leisten, können nicht bereits aufgrund von Artikel 2 Nummer
4 Buchstabe b der Richtlinie 93/104 als Nachtarbeiter angesehen
werden. Die Frage, ob die nationalen Rechtsvorschriften über
die Nachtarbeit der privatrechtlich beschäftigten Arbeitnehmer
auf die in einem öffentlich-rechtlichen Beschäftigungsverhältnis
stehenden Ärzte der Teams zur medizinischen Grundversorgung
anwendbar sind, ist vom nationalen Gericht nach innerstaatlichem
Recht zu beantworten.
5.Die von den Ärzten der Teams zur medizinischen Grundversorgung
während des Bereitschaftsdienstes geleistete Arbeit ist Schichtarbeit,
und diese Ärzte sind Schichtarbeiter im Sinne von Artikel 2
Nummern 5 und 6 der Richtlinie 93/104.
6.Bei Fehlen nationaler Vorschriften zur Umsetzung von Artikel
16 Nummer 2 der Richtlinie 93/104 oder gegebenenfalls zur ausdrücklichen
Übernahme einer der in Artikel 17 Absätze 2, 3 und 4 der
Richtlinie vorgesehenen Abweichungen können diese Bestimmungen
dahin ausgelegt werden, dass sie unmittelbare Wirkung haben, und
geben daher dem Einzelnen einen Anspruch darauf, dass der Bezugszeitraum
für die Festlegung ihrer wöchentlichen Höchstarbeitszeit
zwölf Monate nicht überschreitet.
7.Die ausdrückliche Zustimmung der gewerkschaftlichen Verhandlungspartner
in einem Tarifvertrag steht der Zustimmung des Arbeitnehmers selbst
im Sinne des Artikels 18 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer i erster Gedankenstrich
der Richtlinie 93/104 nicht gleich.
Rodríguez Iglesias
Moitinho de Almeida
Edward
SevónSchintgenKapteyn
Gulmann
PuissochetJannRagnemalm Wathelet
|
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 3. Oktober
2000.
Der Kanzler Der Präsident
R. Grass G. C. Rodríguez Iglesias
|