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Gereimtes und Ungereimtes zu § 116 AFG


Viele schreien ach und weh
über 116 AFG.1)
Die Gewerkschaften stehen davor wie ein Mann,
daß die Regierung ihn nicht taste an.
Noli eum tangere ist ihre Parole,
sich selbst und den Mitgliedern zum Wohle.
Prof. Benda gibt dem die verfassungsrechtliche Weihe,
mit Ernst Breit steht er in einer Reihe.2)
Die Regierung wiegelt ab, sie stelle nur klar,
was schon immer die richtige Auslegung war.
Schwer, sich darauf einen Vers zu machen,
so ungereimt sind diese Sachen.

In der alten Fassung zweierlei stand,
der Abziel-3) und der Einflußtatbestand.4)
Kurzarbeitergeld sei zu verweigern,
der Druck auf die Gewerkschaft damit zu steigern,
soweit der Arbeitskampf ziele
und wo es ins Gewicht fiele.
Das war gar nicht so eng,
für die Gewerkschaften ziemlich streng.
Dies sah der Gesetzgeber ebenso
und wurde seiner Tat nicht froh.

Der Bundesanstalt für Arbeit ward übertragen,
was dem Gesetzgeber lag im Magen,
die Ausschlußtatbestände abzuschwächen, wo es geht,
egal was im Gesetze steht.
Die Neutralitätsanordnung5) vollbrachte dieses Werk,
machten den Ausschluß vom Riesen zum Zwerg.
Schnipp, der Einflußtatbestand verschwand,
Schnapp, der Abzieltatbestand gedrängt an den Rand.

Die Sozialgerichte6) machten ihm vollends den Garaus,
nur identische Forderungen schlössen AFG-Leistungen aus.
Der Bundesrichter Dr. Gagel mahnt hier an der Spitze,
daß keiner in der Sozialleistung ritze.7)
Mit Prof. Raiser8) im literarischen Duell verbissen,
will keiner etwas vom anderen wissen.
Auch die Schrift von Hugo Seiter9)
stimmt Axel Gagel wohl kaum heiter.

Eines ist freilich umstritten,
Metall im Verhältnis zu Chemie
führt zum Ausschluß nie.10)
Nur im fachgleichen Tarifgebiet
des Ausschlusses Problem man sieht.11)
Bei gleichem Fach und Raum streitet man einstweilen kaum.12)

Minister Blüm wollt machen es allen recht,
das gelang ihm aber schlecht.
Den Einflußtatbestand wollt er streichen,
um die Gewerkschaft zu erweichen.
Im Abzieltatbestand soll "annähernd gleich" das "gleich" ersetzen,
das tat nun keine Seite schätzen.13)
Die Gewerkschaften fanden es infam,
die Arbeitgeber viel zu lahm.
Gleich, ohne übereinstimmen zu müssen, heißt es nun,
dann soll das Kurzarbeitergeld ruhn.14)
Leicht ist das nicht zu praktizieren,
wie folgendes mag illustrieren.
6, 5, 4, 3 - ist das Einerlei,
gleich oder verschieden?
Eine Antwort sei gemieden.
Wann die Bundesanstalt ist neutral,
das zu ermitteln wird zur Qual.

Zum guten Ende sei bedacht,
das Arbeitsrecht hat größere Macht.
Im Arbeitskampf hat es das letzte Wort,
es ist der Kampfparität letzter Hort.
Kommt sie durch 116 in Not,
das Arbeitsrecht bringts wieder ins Lot.
Kurzarbeitergeld und Aussperrung sind wie zwei kommunizierende Röhren,
lassen die Kampfparität nicht stören.
(Je mehr von diesem, desto weniger von jener!)
So läßt sich alles variieren, austarieren, balancieren.
Die Arbeitskampfarithmetik15) geht immer auf,
mit oder ohne 116, verlaßt Euch darauf.

Die IG Metall will dies freilich nicht glauben,
dem Paragraph die Neufassung rauben,
Schröder und Co sollen es richten,
die Sozialkasse stärker verpflichten.
Der Streik soll werden statt Last wieder Lust
zu der Arbeitgeber Frust.


1) Jetzt § 146 SGB VII
2) Benda, Sozialrechtliche Eigentumspositionen im Arbeitskampf, 1986.
3) § 116 III Nr. 1 a.F.
4) § 116 III Nr. 2 a.F.
5) Anordnung des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Arbeit über die Gewährung von Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit bei Arbeitskämpfen, 1973 aufgrund des § 116 III S. 2 a.F. erlassen; bei der Neufassung des § 116 aufgehoben.
6) BSG 40, 190; LSG Hessen NZA 1984, 100; LSG Bremen NZA 1984, 132.
7) Kommentar zum AFG, § 116; NZA 1985, 793.
8) NZA 1986, 113.
9) Staatliche Neutralität im Arbeitskampf, 1985.
10) § 116 III S. 1 Nr. 2 n.F.
11) § 116 III S. 1 Nr. 2 n.F.
12) § 116 III S. 1 a.u.n.F.
13) So der Regierungsentwurf der Neufassung des § 116 BT-Drs. 10/4989.
14) § 116 III S. 1 Nr. 2a n.F.: "eine Forderung erhoben worden ist, die einer Hauptforderung des Arbeitskampfes nach Art und Umfang gleich ist, ohne mit ihr übereinstimmen zu müssen".
15) Entwickelt von BAG AP 64, 65 zu Art. 9 GG Arbeitskampf betreffend Aussperrungsquoten. S. jetzt auch BVerfG 4.7.1995 BVerfGE 92, 365: § 116 Abs. 3 AFG ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Treten in der Folge dieser Regelung strukturelle Ungleichheiten der Tarifvertragsparteien auf, die ein ausgewogenes, Aushandeln der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen nicht mehr zulassen und durch die Rechtsprechung nicht ausgeglichen werden können, muß der Gesetzgeber Maßnahmen zur Wahrung der Tarifautonomie treffen.


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