Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 2. Kammer
- 2 Sa 7/99
7 Ca 492/98 (ArbG Heilbronn - Ka. Crailsheim)
verkündet am 15.12.1999
In dem Rechtsstreit
pp.
hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 2. Kammer - durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Hensinger, den ehrenamtlichen
Richter Vischer und den ehrenamtlichen Richter Keiper auf die mündliche
Verhandlung vom 15.12.1999
für Recht erkannt:
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts
Heilbronn - Kammern Crailsheim - vom 18.11.98 - Az: 7 Ca 492/98 - wird
zurückgewiesen.
2. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts
Heilbronn - Kammern Crailsheim - vom 18.11.98 - Az: 7 Ca 492/98 - abgeändert
und die Klage insgesamt abgewiesen.
3. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
4. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger macht gegenüber dem Beklagten für den Zeitraum
von Januar 1996 bis Februar 1999 eine höhere Vergütung als
Schadenersatz geltend.
Der am 27.08.1962 geborene und verheiratete Kläger ist beim Beklagten
seit dem 16.08.1993 als pädagogischer Mitarbeiter im K-Bildungszentrum
S. - H. beschäftigt. Der beklagte Verein betreibt im Bereich der
Diözese R-S eine Vielzahl von Bildungseinrichtungen. Die Satzung
des beklagten Vereins wurde in der Vergangenheit mehrfach geändert.
Die für den maßgeblichen Zeitraum geltenden Satzungen vom September
1989 (Bl. 50 - 53 d. Berufungsakte) und vom 13.07.1996 (Bl. 54 - 57 d.
Berufungsakte), auf die Bezug genommen wird, legen fest, dass der beklagte
Verein im Geiste A K.s jedem Bildungsfähigen und Bildungswilligen
eine seinen Anlagen entsprechende Bildung ermöglichen und das K.-werk
- Diözesanverband R. durch Bildungsangebote und Beratung in Bildungsfragen
unterstützen will. Die für jedermann offenen Bildungsangebote
verstehen sich als Teil der Erwachsenenbildung in katholischer Trägerschaft
im Sinne des Erwachsenenbildungsgesetzes in Baden-Württemberg (§
2 der Satzungen). Der Vorstand besteht aus dem Vorsitzenden und weiteren
sechs Mitgliedern. Sie werden von der Mitgliederversammlung auf die Dauer
von drei Jahren gewählt, davon zwei Mitglieder aus einem Vorschlag
des Diösesanvorstandes des K.-werkes. Die Mitglieder müssen
dem K.-werk angehören (§ 8 der Satzungen).
Die Parteien schlossen am 30.08.1995 einen schriftlichen Arbeitsvertrag
(Bl. 9 - 16 der erstinstanzl. Akte). Nach diesem Vertrag erhielt der
Kläger
eine Vergütung nach E 8 des Vergütungsgruppenverzeichnisses
des K.-Bildungswerkes vom 01.05.1995 (Bl. 53 - 55 d. erstinstanzl.
Akte). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den schriftlichen Arbeitsvertrag
verwiesen.
Die deutsche Bischofskonferenz beschloss am 22.09.1993 eine "Grundordnung
des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse"
(im Folgenden: GrO). Diese GrO trat in der Diözese R.-S. am 01.01.1994
in Kraft. Die für den vorliegenden Rechtsstreit maßgeblichen
Bestimmungen lauten folgendermaßen:
Artikel 2 Geltungsbereich
(1) Diese Grundordnung gilt für Arbeitsverhältnisse von Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern bei den Dienststellen, Einrichtungen und sonstigen selbständig
geführten Stellen - nachfolgend als Einrichtung(en) bezeichnet -a)
der Diözesen,b) der Kirchengemeinden und Kirchenstiftungen,c) der
Verbände von Kirchengemeinden,d) der Diözesancaritasverbände
und deren Gliederungen, soweit sie öffentliche juristische
Personen des kanonischen Rechts sind,e) der sonstigen öffentlichen
juristischen Personen des kanonischen Rechts.
(2) Diese Grundordnung ist auch anzuwenden im Bereich der sonstigen
kirchlichen Rechtsträger und ihrer Einrichtungen, unbeschadet ihrer Rechtsform
sowie des Verbandes der Diözesen Deutschlands und des Deutschen Caritasverbandes.
Die vorgenannten Rechtsträger sind gehalten, die Grundordnung für
ihren Bereich rechtsverbindlich zu übernehmen.
Artikel 3 Begründung des Arbeitsverhältnisses
(1) Der kirchliche Dienstgeber muß bei der Einstellung darauf achten,
daß eine Mitarbeiterin und ein Mitarbeiter die Eigenart des kirchlichen
Dienstes bejahen. Er muß auch prüfen, ob die Bewerberin und
der Bewerber geeignet und befähigt sind, die vorgesehene Aufgabe
so zu erfüllen, daß sie der Stellung der Einrichtung in der
Kirche und der übertragenen Funktion gerecht werden.
(2) Der kirchliche Dienstgeber kann pastorale, katechetische sowie
in der Regel erzieherische und leitende Aufgaben nur einer Person übertragen,
die der katholischen Kirche angehört.
...
(4) Für keinen Dienst in der Kirche geeignet ist, wer sich kirchenfeindlich
betätigt oder aus der katholischen Kirche ausgetreten ist.
Artikel 7 Beteiligung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an der Gestaltung
ihrer Arbeitsbedingungen
(1) Das Verhandlungsgleichgewicht ihrer abhängig beschäftigten
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Abschluß und Gestaltung der
Arbeitsverträge sichert die katholische Kirche durch das ihr verfassungsmäßig
gewährleistete Recht, ein eigenes Arbeitsrechts-Regelungsverfahren
zu schaffen. Rechtsnormen für den Inhalt der Arbeitsverhältnisse
kommen zustande durch Beschlüsse von Kommissionen, die mit Vertretern
der Dienstgeber und Vertretern der Mitarbeiter paritätisch besetzt
sind. Die Beschlüsse dieser Kommissionen bedürfen der bischöflichen
Inkraftsetzung für das jeweilige Bistum. Das Nähere, insbesondere
die jeweiligen Zuständigkeiten, regeln die KODA-Ordnungen. Die
Kommissionen sind an diese Grundordnung gebunden.
...
Das bischöfliche Ordinariat der Diözese R.-S. vertrat in den
Schreiben an den Beklagten vom 21.12.1993 und 20.08.1996 (Bl. 186 und
187 d. erstinstanzl. Akte) die Rechtsauffassung, dass der Beklagte ein
"sonstiger kirchlicher Rechtsträger" im Sinne des Artikel 2 Abs.
2 der GrO sei und er deshalb die GrO rechtsverbindlich übernehmen
müsse.
In einem Verfahren zwischen dem Beklagten und der bei ihm damals eingerichteten
Mitarbeitervertretung, in dem es um die Ersetzung der verweigerten
Zustimmung zur Eingruppierung von Mitarbeiter/-innen ging, entschied
die MAVO-Schlichtungsstelle der Diözese R.-S. am 01.08.1997, dass der Beklagte ein "sonstiger
kirchlicher Rechtsträger" im Sinne des Artikel 2 Abs. 2 GrO sei und
er deshalb gegen Artikel 7 GrO verstoßen habe. Der Kläger und
andere Mitarbeiter/-innen des Beklagten machten mit Schreiben vom 02.12.1997
(Bl. 57 d. erstinstanzl. Akte) Vergütungsansprüche gemäß
BAT in der Fassung der KODA (d. h. Kommission zur Ordnung des Diözesanen
Arbeitsvertragsrechtes) geltend. Eine außerordentliche Mitgliederversammlung
des Beklagen bekräftigte die Rechtsauffassung des Beklagten, dass
er kein kirchlicher Rechtsträger im Sinne der GrO sei und er deshalb
die GrO nicht übernehmen werde. Die Satzung des Beklagten wurde in
dieser Mitgliederversammlung in mehreren Punkten geändert (Satzung
i. d. F. v. 23.01.1998, Bl. 190 u. 191 d. erstinstanzl. Akte). Außerdem
wurde beschlossen, künftig das Betriebsverfassungsgesetz anzuwenden.
In der Folgezeit wurde beim Beklagten ein Betriebsrat gewählt. Im
Rahmen dieses Rechtsstreits gab das bischöfliche Ordinariat der Diözese
R.-S. am 07.12.1999 eine Stellungnahme ab, wonach der Beklagte nach der
Satzungsänderung vom 23.01.1998 nicht mehr als sonstiger kirchlicher
Rechtsträger im Sinne des Artikel 2 Abs. 2 der Grundordnung anzusehen
ist (Bl. 145 d. Berufungsakte).
Das Arbeitsgericht hat mit dem am 18.11.1998 verkündeten Urteil
der Klage teilweise stattgegeben. Es ist zu der Auffassung gelangt, dass
der Kläger grundsätzlich einen Anspruch auf Differenzvergütung
gemäß des BAT in der Fassung der KODA-Beschlüsse als Schadenersatz
hat. Das Arbeitsgericht führt aus, dass der Beklagte ein "sonstiger
kirchlicher Rechtsträger" im Sinne des Artikel 2 Abs. 2 der GrO sei
und er deshalb verpflichtet gewesen sei, die Vergütungsregelungen
des BAT-KODA auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden und den Kläger
danach zu vergüten. Der Beklagte habe gegen diese Pflicht schuldhaft
verstoßen. Deshalb schulde er dem Kläger die höhere Vergütung
als Schadenersatz. Das Arbeitsgericht hat einen Teil der eingeklagten
Vergütung abgewiesen, weil dieser mangels rechtzeitiger Geltendmachung
verfallen sei. Wegen der Begründung des Arbeitsgerichtes wird
auf Seite 14 - 24 des angefochtenen Urteils (Bl. 222 - 232 d. erstinstanzl.
Akte) verwiesen.
Gegen dieses dem Kläger und dem Beklagten am 18.01.1999 zugestellte
Urteil richten sich die am 18.02.1999 vom Kläger und dem Beklagten
eingelegten Berufungen. Der Kläger hat am 18.03.99, der Beklagte
am 19.04.99 und damit innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist
die Berufung ausgeführt.
Zur Begründung trägt der Beklagte insbesondere vor, abweichend
von der Auffassung des Arbeitsgerichtes handele es sich bei dem Beklagten
um keinen "sonstigen kirchlichen Rechtsträger" im Sinne des Artikel
2 Abs. 2 GrO, so dass diese GrO auch nicht habe übernommen werden
müssen. Deshalb komme eine Anwendung des BAT auf das Arbeitsverhältnis
zwischen den Parteien nicht in Betracht. Schon aus den für den fraglichen
Zeitraum geltenden Satzungen des Beklagten sei
zu ersehen, dass weder das K.-werk noch die katholische Kirche satzungsrechtliche
Einflussmöglichkeiten auf den Beklagten gehabt hätten. Vielmehr
würden die Vorstandsmitglieder von der Mitgliederversammlung nach
Vereinsrecht gewählt. Die katholische Kirche habe in der Vergangenheit
aber auch keine anderweitigen Einflussmöglichkeiten gehabt. Es gebe
keine kirchliche Aufsicht über den Beklagten. Finanziell sei der
Beklagte von der Kirche völlig unabhängig. Es bestehe kein Zustimmungserfordernis
der Kirche für Satzungsänderungen. Der Beklagte halte sich insgesamt
nicht an die Grundordnung. So beschäftige er Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen
aller Konfessionen, Konfessionslose und auch aus der katholischen Kirche
Ausgetretene, was für eine katholische Einrichtung undenkbar sei.
Selbst wenn man die Auffassung vertrete, dass der Beklagte ein kirchlicher
Rechtsträger im Sinne des Artikel 2 Abs. 2 GrO sei, so stehe lediglich
fest, dass der Beklagte dann eine paritätisch besetzte Kommission
zur Aushandlung der Arbeitsbedingungen entsprechend der KODA-Ordnung hätte
einrichten müssen. Die Nichtübernahme der GrO führe aber
nicht zu einem Vergütungsanspruch gemäß BAT aus dem Gesichtspunkt
des Schadenersatzes. Im Übrigen beanstandet der Beklagte die vom
Kläger begehrte Vergütungsgruppe des BAT. Außerdem müsse
sich der Kläger die vom Beklagten bezahlte Leistungsprämie nach
der hauseigenen Vergütungsordnung anrechnen lassen. Schließlich
sei die sechsmonatige Ausschlussfrist des Arbeitsvertrages zu beachten.
Wegen des weiteren Vorbringens des Beklagten im zweiten Rechtszug wird
auf die in der mündlichen Verhandlung in Bezug genommenen Schriftsätze
vom 19.04.99, 23.04.99 und 21.09.99 (Bl. 40 - 49, 87 - 88, 89, 116
- 118 d. erstinstanzl. Akte) verwiesen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichtes Heilbronn, Kammer Crailsheim, aufzuheben
und die Klage abzuweisen;
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn
- Kammer Crailsheim - zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn - Kammer Crailsheim - wird
abgeändert
und der beklagte Verein verurteilt, an den Kläger DM 18.292,15
brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich aus DM 11.872,55 ergebenden Nettobetrag
seit 13.08.1998 sowie 4 % Zinsen aus dem sich aus DM 6.417,60 ergebenden
Nettobetrag seit 01.03.1999 zu bezahlen.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn
- Kammer Crailsheim - zurückzuweisen.
Der Kläger trägt zur Begründung insbesondere vor, abweichend
von der Ansicht des Arbeitsgerichtes gelte im vorliegenden Fall die 24-monatige
Ausschlussfrist des § 70 BAT in der Fassung der KODA-Beschlüsse,
so dass die Ansprüche des Klägers nicht verfallen seien. Im
Wege der Klagerweiterung mache er auch die Vergütungsansprüche
von August 1998 bis Februar 1999 geltend.
Weiter bringt der Kläger vor, dass der Beklagte eine kirchliche Einrichtung
im Sinne des Artikel 2 Abs. 2 der GrO sei. Der Beklagte sei nach seinem
Namen und seinem Selbstverständnis ein integraler Teil des K.-werkes,
das unstreitig eine kirchliche Einrichtung darstelle. Nach der Satzung
des Beklagten und dessen Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit
hätten der Beklagte und die katholische Kirche identische Erziehungsideale
und -ziele, nämlich Erziehung im Geiste A K.s und Orientierung an
den Prinzipien der katholischen Soziallehre. Im Arbeitsverhältnis
zwischen den Parteien sei geregelt, dass die Lehrinhalte und die persönliche
Lebensführung des Klägers dem kirchlichen Charakter des Beklagen
nicht widersprechen dürften. Die katholische Kirche habe auch hinreichende
Einflussmöglichkeiten auf den Beklagten. So bestünden personelle
Verflechtungen zwischen dem Beklagten und der katholischen Kirche. Der
Beklagte unterscheide sich auch nicht von anderen kirchlichen Einrichtungen
bezüglich der Einstellungsvoraussetzungen von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen.
Auch dort sei die Zugehörigkeit zur katholischen Konfession keine
Einstellungsvoraussetzung. Als kirchliche Einrichtung im Sinne der GrO
habe der Beklagte die GrO übernehmen müssen. Gegen diese Verpflichtung
habe der Beklagte schuldhaft verstoßen und sich deshalb gegenüber
dem Kläger schadenersatzpflichtig gemacht. Die GrO habe auch eine
Dritt- und Schutzwirkung für die bei kirchlichen Rechtsträgern
beschäftigten Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. Der Beklagte sei
deshalb verpflichtet, den Kläger nach BAT-KODA zu vergüten.
Wegen des weiteren Vorbringens des Klägers im zweiten Rechtszug wird
auf die in der mündlichen Verhandlung in Bezug genommenen Schriftsätze
vom 17.03.99, 21.06.99 und 29.07.99 (Bl. 21 - 25, 95 - 103, 107 d.
Berufungsakte) verwiesen.
Entscheidungsgründe
A. Berufung des Beklagten
I.
Die gemäß § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung
des Beklagten ist fristgerecht eingelegt und ausgeführt worden (§§
66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, §§ 518 Abs. 1 und
2, 519 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 ZPO). Im Übrigen sind Bedenken an der
Zulässigkeit der Berufung nicht veranlasst.
II.
In der Sache hat die Berufung des Beklagten Erfolg. Entgegen der Ansicht
des Arbeitsgerichts steht dem Kläger gegen den Beklagten kein
Schadenersatzanspruch zu.
Zwar ist die in der zweiten Instanz ausschließlich verfolgte Zahlungsklage
zulässig. Ihr Streitgegenstand ist hinreichend bestimmt (§ 253
Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Die vom Kläger in der zweiten Instanz begehrte
Differenzvergütung für den Zeitraum Januar 1996 bis Februar
1999 errechnet sich aus der Addition der monatlichen Differenzansprüche
unter Abzug des in der ersten Instanz ausgeurteilten Betrags.
Die Klage ist jedoch nicht begründet, weil der Kläger keinen
Schadenersatzanspruch aus positiver Forderungsverletzung des Arbeitsvertrages
durch den Beklagten hat. Der Beklagte hat schon deshalb keine Pflicht
aus dem zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnis verletzt,
weil er kein "sonstiger kirchlicher Rechtsträger" im Sinne des Artikel
2 Abs. 2 GrO im maßgeblichen Zeitraum gewesen ist und deshalb nicht
verpflichtet gewesen ist, die GrO und damit auch die Bestimmungen zur
Gestaltung der Arbeitsbedingungen zu übernehmen.
1. Der in Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 GrO normierte Rechtsbegriff "sonstiger
kirchlicher Rechtsträger" ist weder in der GrO selbst noch in anderen
kirchenrechtlichen Bestimmungen näher definiert. Da es beim Geltungsbereich
der "Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse"
ebenso wie bei § 118 Abs. 2 BetrVG um die Reichweite des verfassungsrechtlich
garantierten Selbstordnungs- und Selbstverwaltungsrechtes der Kirchen
(vgl. BAG Urteil v. 06.12.77, AP Nr. 10 zu § 118 BetrVG 1972, II.
1. der Gründe; BAG Urteil v. 14.04.88, AP Nr. 36 zu § 118 BetrVG
1972, II. 2. der Gründe) geht und beide Normen inhaltlich gleiche
Rechtsbegriffe verwenden (§ 118 Abs. 2 BetrVG: Religionsgemeinschaften
und ihre ... Einrichtungen; § 2 Abs. 2 Satz 1 GrO: Sonstige kirchliche
Rechtsträger und ihre Einrichtungen), kann die zu § 118 Abs.
2 BetrVG ergangene Rechtsprechung herangezogen werden. Nach dieser Rechtsprechung
liegt dann eine Einrichtung einer Religionsgemeinschaft vor, wenn sowohl
eine inhaltliche Übereinstimmung als auch eine organisatorische Zuordnung
besteht (vgl. BVerfG Urteil v. 11.10.77, AP Nr. 1 zu Art. 140 GG; BAG
Urteil v. 14.04.88, AP Nr. 36 zu § 118 BetrVG 1972; Urteil v. 24.07.91,
AP Nr. 48 zu § 118 BetrVG 1972; Urteil v. 30.04.97, AP Nr. 60 zu
§ 118 BetrVG 1972).Die Regelungs- und Verwaltungsbefugnis gemäß
Art. 140 GG, Art. 137 Abs. 3 WV steht der Kirche nicht nur hinsichtlich
ihrer körperschaftlichen Organisation und ihrer Ämter zu, sondern
auch hinsichtlich ihrer Vereinigungen, die sich nicht die allseitige,
sondern nur die parzielle Pflege des religiösen oder weltanschaulichen
Lebens ihrer Mitglieder zum Ziel gesetzt haben. Voraussetzung dafür
ist aber, dass der Zweck der Vereinigung gerade auf die Erreichung eines
solchen Zieles gerichtet ist (BVerfG 11.10.77, a. a. O). Als erstes Kriterium
muss also eine inhaltliche Übereinstimmung zwischen Einrichtung und
Religionsgemeinschaft gegeben sein. Für die Zuordnung einer rechtlich
selbstständigen Einrichtung zur Kirche ist jedoch nicht ausreichend,
dass die Einrichtung ihrem Zweck nach auf die Verwirklichung eines kirchlichen
Auftrags gerichtet ist. Hinzukommen muss ein Mindestmaß an Einflussmöglichkeiten
der Kirche, um auf Dauer eine Übereinstimmung der religiösen
Betätigung der Einrichtung mit kirchlichen Vorstellungen gewährleisten
zu können. Der ordnende Einfluss der Kirche bedarf zwar keiner satzungsmäßigen
Absicherung. Die Kirche muss jedoch in der Lage sein, einen etwaigen Dissens
in religiösen Angelegenheiten zwischen ihr und der Einrichtung unterbinden
zu können (BAG Urteil v. 14.04.1988, a. a. O.; BAG Urteil v. 30.04.1997,
a. a. O.). Als zweites Kriterium für das Vorliegen einer Einrichtung
einer Religionsgemeinschaft muss also ein Mindestmaß an Einflussmöglichkeiten
der Kirche hinzukommen. Indizien einer solchen Zuordnung können sein:
die kirchliche Trägerschaft; Verantwortlichkeit der leitenden Personen
gegenüber der Amtskirche; Finanzierung, vor allem Haftung der Religionsgemeinschaft
bei Zahlungsverzug der Einrichtung (GK-Fabricius, Betriebsverfassungsgesetz,
6. Aufl., § 118 Rz. 783 m. w. N.).
2. Wenn man die vorgenannten Rechtsgrundsätze auf den vorliegenden
Sachverhalt anwendet, kommt die erkennende Kammer zu dem Ergebnis, dass
der Beklagte kein kirchlicher Rechtsträger im Sinne der Grundordnung
im maßgeblichen Zeitraum gewesen ist.Zwar liegt eine weitgehende
Übereinstimmung in der Zielsetzung zwischen der katholischen Kirche
und dem Beklagten vor. Der Beklagte orientiert sich nach seinem Selbstverständnis
an den Prinzipien der katholischen Soziallehre und an der Persönlichkeit
und dem Lebenswerk von A K.. Der Beklagte hat deshalb Teil "an der Verwirklichung
eines Stückes Auftrag der Kirche im Geist katholischer Religiosität,
im Einklang mit dem Bekenntnis der katholischen Kirche und in Verbindung
mit den Amtsträgern der katholischen Kirche" (BVerfG 11.10.77, a.
a. O.).Zumindest im hier maßgeblichen Zeitraum (Januar 1996 bis
Februar 1999) kann jedoch nicht von einem Mindestmaß an Einflussmöglichkeiten
der katholischen Kirche auf den Beklagten gesprochen werden. Dabei ist
die historische Entwicklung des Beklagten zu berücksichtigen, die
zu einer immer stärkeren Lösung vom K.-werk und der katholischen
Kirche geführt hat bis hin zur Satzungsänderung vom 23.01.1998.Dafür,
dass es sich beim Beklagten um einen kirchlichen Rechtsträger im
Sinne der Grundordnung gehandelt hat, sprechen Ziffer 3.1. des Arbeitsvertrages,
der den kirchlichen Charakter des Beklagten betont, und die Existenz einer
Mitarbeitervertretung bis zur Wahl des Betriebsrates. Ein Indiz, aber
auch nur ein Indiz für die kirchliche Rechtsträgerschaft des
Beklagten ist die Rechtsansicht der katholischen Kirche für den Zeitraum
bis Januar 1998 (danach ist auch die katholische Kirche der Ansicht, dass
der Beklagte kein kirchlicher Rechtsträger mehr ist). Wie das Arbeitsgericht
richtig erkannt hat, ist die Rechtsansicht der katholischen Kirche jedoch
nicht konstitutiv für die Zugehörigkeit eines rechtlich selbstständigen
Vereins zu ihr. Der Geltungsbereich von kirchlichen Normen wird nicht
allein durch die Kirche bestimmt, sondern auch von der juristischen Person,
für die die Normen gelten sollen. Anders ausgedrückt: Eine Einrichtung,
die sich der mit dem Petrusamt verbundenen bischöflichen Hirtengewalt
entzieht, ist keine Wesens- und Lebensäußerung der katholischen
Kirche; denn "nur die mit dem Bischof einige Gemeinde ist katholische
Kirche, nicht die Teilgruppen, die sich - aus welchen Gründen auch
immer - davon abgesondert haben" (Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche,
2. Aufl., S. 36 Rz. 14 m. w. N.).Nach Auffassung der erkennenden Kammer
sprechen im vorliegenden Fall jedoch erheblich mehr Kriterien gegen die
kirchliche Trägerschaft des Beklagten. Schon satzungsrechtlich ist
kein maßgebender Einfluss der katholischen Kirche auf den Beklagen
feststellbar. Von den sieben Mitgliedern des Vorstandes des Beklagten
werden nur zwei Mitglieder aus einem Vorschlag des Diözesanvorstandes
des K.-werkes von der Mitgliederversammlung gewählt. Ein beherrschender
oder auch maßgeblicher Einfluss einer katholischen Einrichtung auf
den Beklagten ist also nicht gegeben. Dass die Vorstandsmitglieder Mitglieder
des K.-werkes sein müssen, spricht nicht für eine erhebliche
organisatorische Einflussmöglichkeit der katholischen Kirche. Weiter
ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte keinerlei finanzielle Zuschüsse
von der katholischen Kirche oder vom K.-werk erhält, sondern alle
Mittel eigenverantwortlich erwirtschaften muss. Eine Zustimmung der Kirche
für Satzungsänderungen ist nicht erforderlich, so dass der Beklagte
deshalb im Januar 1998 eigenständig entscheiden konnte, er werde
die Grundordnung der katholischen Kirche nicht übernehmen. Zwischen
den Parteien ist unstreitig, dass der Beklagte konfessionslose und aus
der katholischen Kirche ausgetretene Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen
beschäftigt (hat). Dies verstößt gegen Artikel 3 Abs.
2 und 4 der Grundordnung und zeigt auf, dass der Beklagte auch in anderen
Punkten die Grundordnung nicht übernommen hat. Schließlich
spricht auch die Rechtsansicht des Beklagten, nämlich dass er kein
kirchlicher Rechtsträger sei, gegen ein Mindestmaß an Einflussmöglichkeiten
der katholischen Kirche auf den Beklagten. Eine Einrichtung, die - aus
welchen Gründen auch immer - nicht zur katholischen Kirche gehören
will, nimmt nicht teil an der Wesens- und Lebensäußerung der
katholischen Kirche. Gegen ihren erklärten Willen ist die Verwirklichung
des Auftrages der Kirche schwer vorstellbar. Im Gegensatz zu den oben
zitierten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes und des Bundesarbeitsgerichtes,
in denen die jeweilige Einrichtung die Rechtsansicht geäußert
hat, sie sei der Kirche zugeordnet und das Betriebsverfassungsgesetz sei
deshalb nicht anwendbar, ist der Beklagte im vorliegenden Fall gerade
der Auffassung, er sei der Kirche nicht zugeordnet.Insgesamt überwiegen
deutlich die Kriterien, die gegen ein Mindestmaß an Einflussmöglichkeiten
der katholischen Kirche sprechen. Da der Beklagte demgemäß
kein "sonstiger kirchlicher Rechtsträger" im Sinne des Artikel
2 Abs. 2 GrO im fraglichen Zeitraum gewesen ist, war die Klage schon
aus diesem Grund abzuweisen.
B. Berufung des Klägers
I.
Die gemäß § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung
des Klägers ist ebenfalls fristgerecht eingelegt und ausgeführt
worden. Auch im Übrigen sind Bedenken an der Zulässigkeit
der Berufung nicht veranlasst.
II.
Die Berufung des Klägers hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
Aus den unter A. des Urteils genannten Gründen ist die (weitergehende)
Klage abzuweisen.
C. Nebenentscheidungen
1. Die Kosten des Rechtsstreits waren dem Kläger gemäß
§ 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO aufzuerlegen.
2. Die Kammer misst der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung bei
und hat daher die Revision zugelassen (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG).
Rechtsmittelbelehrung
gez. Hensinger gez. Vischer
gez. Keiper