Siehe auch: Basiszinssatz
Siehe auch: Zahlungsverzug des Arbeitgebers
Der Große Senat des Bundesarbeitsgerichts hatte
darüber zu entscheiden, ob dem Arbeitnehmer als Gläubiger
einer Entgeltforderung gegen den Arbeitgeber die gesetzlichen Verzugszinsen
aus dem sog. Bruttobetrag oder nur aus dem sog. Nettobetrag zustehen.
Der Kläger verlangte von seinem Arbeitgeber
unter Fristsetzung die Zahlung restlicher Arbeitsvergütung. Das
Landesarbeitsgericht hat ihm eine Bruttovergütung nebst 4 % Zinsen
"aus dem sich ergebenden Nettobetrag" zugesprochen. In der
Revisionsinstanz geht es nur noch um die Frage, ob der Kläger die
Zinsen weitergehend aus dem gesamten zuerkannten Bruttobetrag verlangen
kann.
Der für die Entscheidung zuständige Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts
möchte der Revision des Klägers stattgeben. Er hat sich hieran
durch die Rechtsprechung anderer Senate des Bundesarbeitsgerichts gehindert
gesehen und den Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts angerufen.
Der Große Senat hat entschieden:
Der Arbeitnehmer kann die Verzugszinsen nach
§ 288 Abs. 1 Satz 1 BGB aus der in Geld geschuldeten Bruttovergütung
verlangen.
Hierfür waren folgende Erwägungen
maßgebend: § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB macht schon nach seinem
Wortlaut die Zinspflicht der gesamten Forderung allein von dem Vorliegen
einer Geldschuld und vom Verzug des Schuldners abhängig. Zwar hat
der Arbeitgeber bei jeder Lohnzahlung die Lohnsteuer vom Arbeitslohn
einzubehalten und den vom Arbeitnehmer zu tragenden Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags
abzuziehen. Die Geldschuld des Arbeitgebers umfaßt aber bei Vereinbarung
einer Bruttovergütung auch diese an das Finanzamt bzw. die Einzugsstelle
abzuführenden Lohnbestandteile. Der Arbeitgeber gerät deshalb
mit dem Gesamtbetrag und nicht lediglich mit dem Teil des Lohnes, der
an den Arbeitnehmer auszuzahlen ist, in Verzug.
Eine verspätete Abführung kann den Verzug ebensowenig wie
eine verspätete Zahlung an den Arbeitnehmer rückwirkend beenden.
§ 288 BGB sieht einen pauschalierten Schadensersatz
vor. Ob im konkreten Fall tatsächlich ein Schaden entsteht, ist
unerheblich. Die Pauschalierung betrifft die gesamte Forderung. Das
gilt um so mehr, weil dem Gesetz auch eine kompensatorische und präventive
Funktion zukommt. Der Schuldner soll durch die Vorenthaltung der Zahlung
keinen Anreiz zur Gewinnung eines Zinsvorteils erhalten. Für eine
den Wortlaut einschränkende Auslegung des Gesetzes ist danach kein
Raum.
Die besonderen steuerrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen
Sanktionen bei verspäteter Abführung der Abzugsbeträge
sind nicht als Sondervorschriften gegenüber der schuldrechtlichen
Verzinsung zu verstehen. Sie betreffen ausschließlich das öffentlich-rechtliche
Verhältnis des Arbeitgebers zum Finanzamt und zum Träger der
Sozialversicherung.
Bundesarbeitsgericht Großer Senat Beschluß
vom 7. März 2001 - GS 1/00 -
Bundesarbeitsgericht Vorlagebeschluß vom 18. Januar 2000 - 9 AZR
122/95 (B) -