Gewerkschaften dürfen dienstliche E-Mails nutzen
Bundesarbeitsgericht erklärt Gewerkschaftswerbung per E-Mail für
zulässig
Die Klägerin ist ein Dienstleistungsunternehmen der Informationstechnologie
für die Finanzbranche. Sie beschäftigt bundesweit an mehreren
Standorten ca. 3.300 Mitarbeiter. Die Beklagte zu 1) ist eine Gewerkschaft
mit ca. 2,3 Mio. Mitgliedern. Der Beklagte zu 2) ist deren Bezirksleiter
des Landesbezirks Rheinland-Pfalz, der Beklagte zu 3) Bundesfachgruppenleiter.
Die Klägerin verfolgte Anfang 2007 ein Standortkonzept, das die
Schließung mehrerer Standorte und die Versetzung von Arbeitnehmern
vorsah. Die Beklagten zu 2) und 3) versandten im Namen der Beklagten
zu 1) unaufgefordert ca. 3.300 gleich lautende E-Mails an die dienstlichen
E-Mail-Adressen der Mitarbeiter der Klägerin. Die E-Mails informierten über
den gewerkschaftlichen Standpunkt zu dem Konzept der Klägerin,
Verhandlungsziele, insbesondere das Verlangen nach einem Firmentarifvertrag,
sowie die weitere Vorgehensweise und benannte für die Gewerkschaft
verhandelnde Personen und Kontaktmöglichkeiten. Am Ende der E-Mail
befand sich ein Link, mit dem sich ein Empfänger automatisch aus
dem Verteiler löschen konnte. Nach den Regelungen einer Gesamtbetriebsvereinbarung
dürfen die betrieblichen E-Mail-Accounts nur zu dienstlichen Zwecken
verwandt werden. Die dienstlichen E-Mail-Adressen der Arbeitnehmer
der Klägerin sind nach dem Prinzip "Vorname.Nachname@Domain
der Arbeitgeberin" gebildet. Wie die Beklagten an die E-Mail-Adresse
der Arbeitnehmer der Klägerin gelangt sind, ist nicht festgestellt.
Bundesarbeitsgericht weist die Klage ab
Anders als die Vorinstanzen wies der erste Senat des Bundesarbeitsgerichts
die Klage des Dienstleistungsunternehmens ab. Eine tarifzuständige
Gewerkschaft dürfe sich an Arbeitnehmer über deren betriebliche
E-Mail-Adressen mit Werbung und Informationen wenden. Dies gelte auch,
wenn der Arbeitgeber den Gebrauch der E-Mail-Adressen zu privaten Zwecken
untersagt habe, entschied das BAG.
Betätigungsfreiheit der Gewerkschaft
Die Entscheidung einer Gewerkschaft, Arbeitnehmer auf diesem Weg anzusprechen,
sei Teil ihrer durch Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG geschützten Betätigungsfreiheit.
Soweit dabei Grundrechte des Arbeitgebers berührt werden, seien
die kollidierenden Rechtspositionen gegeneinander abzuwägen. Das
durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Eigentumsrecht des Arbeitgebers
und sein von Art. 2 Abs. 1 GG erfasstes Recht am eingerichteten und
ausgeübten Gewerbebetrieb haben gegenüber der gewerkschaftlichen
Betätigungsfreiheit zurückzutreten, solange der E-Mail-Versand
nicht zu nennenswerten Betriebsablaufstörungen oder spürbaren,
der Gewerkschaft zuzurechnenden wirtschaftlichen Belastungen führe.
Auf Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer könne sich der
Arbeitgeber im Rahmen eines deliktischen Unterlassungsanspruchs gegenüber
der Gewerkschaft nicht berufen.