Bericht von
der Fachtagung der Arbeitsgemeinschaft caritativer Unternehmen (AcU)
am 16. September 2009
Quelle: Wohlfahrt intern, Ausgabe September 2009 Seiten 18 und 19,
Text Iris Röthig
TARIFSYSTEME: Der Dritte Weg gerät bei den
caritativen Einrichtungen zunehmend ins Kreuzfeuer der Kritik. Die
Träger der Caritas klagen über
ständige Blockaden in der Arbeitsrechtlichen Kommission. Jetzt
fordern sie die Bischöfe auf, das Arbeitsrecht zu regeln in ihrem
Sinne.
"Dritter Weg ja, aber nicht so" auf diese Formel lässt
sich die Kritik der Träger am kirchlichen Arbeitsrecht auf der
ersten Tagung der Arbeitsgemeinschaft
caritativer Unternehmen (AcU) bringen. In Mainz diskutierten
Experten und Vertreter von Verbänden
und Einrichtungen der Caritas unter der Überschrift "Dienstgemeinschaft
und Vergütungspolitik" über die Zukunft des Dritten
Wegs im Allgemeinen - also des Konsensprinzips zwischen Arbeitgebern
und Arbeitnehmern und der Arbeitsrechtlichen Kommission im Besonderen.
Erst vor zwei Jahren war die Ordnung der Arbeitsrechtlichen Kommission
(AK) im Deutschen Caritasverband nach zähem Ringen reformiert
worden. Seither werden Entgelthöhe, Urlaubsansprüche sowie
die Arbeitszeit in regionalen Kommissionen festgesetzt. Die Bundeskommission
gibt, damit die unterschiedlichen Refinanzierungsbedingungen in den
Ländern berücksichtigt werden können, lediglich eine
Bandbreite vor. Doch bisher haben die Regionalkommissionen von ihren
neuen Möglichkeiten kaum Gebrauch gemacht. Die Teilnehmer und
Referenten sahen dafür verschiedene Gründe. Bernd Molzberger,
AcU Vorstandsvorsitzender und Geschäftsführer der Marienhaus
GmbH in Waldbreitbach, macht die Unnachgiebigkeit der Arbeitnehmervertreter
für die Stagnation verantwortlich. "Die Blockade setzt sich
nach der AK-Reform verstärkt fort", so Molzberger. "Eine
Ursache dafür seien die Gewerkschaften. Deren Einfluss in den
Kommissionen hat stark zugenommen." Molzberger mahnte eine erneute
Reform der Arbeitsrechtlichen Kommission an.
Dieser Kritik will der Generalsekretär des Deutschen Caritasverbandes
nicht folgen. Die neue Ordnung versage keineswegs und lasse differenzierte
Lösungen durchaus zu, argumentiert Georg Cremer. Das Problem seien
vielmehr die handelnden Personen. "In der neuen Ordnung sitzen
auf beiden Seiten die alten Köpfe", so seine Analyse. Cremer
kritisierte zudem die mangelnde Rückkopplung zwischen Trägern
und Arbeitgebervertretern in der Kommission. Beschlüsse der Verhandlungskommission
lehnten die Träger anschließend teilweise ab. Offenbar fehle "ausreichendes
Vertrauen der Dienstgeberseite zur Verhandlungskommission."
Gregor Thüsing, Direktor am Institut für Arbeitsrecht und
Recht der Sozialen Sicherheit an der Universität Bonn sowie Mitentwickler
der neuen AK-Ordnung, zweifelt am Willen aller Vertragspartner, die
neue AK-Ordnung mit Leben zu füllen. "Die schönste Ordnung
nützt nichts, wenn die Beteiligten die Ziele der Struktur nicht
wollen." Der Jura-Professor zog eine kritische Bilanz der ersten
Jahre. Aufwand und Ertrag stünden in keinem Verhältnis zueinander.
Denn für die Arbeit in den Regionalkommissionen müssten erheblich
mehr Mitarbeiter freigestellt werden eine zusätzliche Kostenbelastung
für die Träger. "Wenn die Regionalkommissionen nur den
Bundesbeschluss übernehmen, stellt sich die Frage: Ist das nicht
ein bisschen viel Soße für wenig Braten" merkte Thüsing
kritisch an.
Die Träger arbeiten unterdessen an eigenen Strategien, um ihre
Interessen durchzusetzen. Der Vorstandsvorsitzende des Katholischen
Krankenhausverband Deutschlands (KKVD), Dieter Geerlings, wies darauf
hin, dass die Dienstgemeinschaft, die den Dritten Weg begründet,
keineswegs in Stein gemeißelt sei. Es habe sich im Laufe der
Zeit lediglich gezeigt, dass mit ihr die Ziele caritativer Unternehmen
besser zu erreichen seien als im zweiten Weg, also in Verhandlungen
mit Gewerkschaften inklusive Streiks und Aussperrungen. "Das ist
aber kein Dogma", unterstrich der Domkapitular. Geerlings plädiert
für differenzierte Lösungen bei der Gestaltung der Arbeitsvertragsrichtlinien
innerhalb des Dritten Wegs, um so der Flucht aus ihm zu begegnen. "Gemeinschaft
bedeutet nicht, dass immer alle durch die gleiche Tür gehen",
so der KKVD-Vorsitzende.
Ein Beispiel für die Differenzierung fügte die Generaloberin
der Waldbreitbacher Franziskanerinnen, Schwester Basina Kloos, an.
Die Ordensfrau und geschäftsführende Gesellschafterin der
Marienhaus GmbH fordert ein eigenes Regelwerk - eine so genannte Service-Koda
- für Putzfrauen, Hausmeister und Wäscherinnen, sieht aber
innerhalb der bestehenden AK Ordnung keine Möglichkeit, die zu
entwickeln. Ihrer Meinung nach blockiert der gewerkschaftliche Einfluss
in der Arbeitsrechtlichen Kommission notwendige Änderungen. "Alles
droht darauf hinauszulaufen, das kirchliche Arbeitsrecht dem staatlichen
zu unterwerfen" sagte die Generaloberin auf der Tagung. Diese
Entwicklung gefährde den Sendungsauftrag der Kirche: "Der
Dritte Weg ist an einem Scheideweg."
Bei der Hoffnung, der Dritte Weg möge an dieser Wegscheide die
richtige Richtung einschlagen, setzt Schwester Basina auf die Hilfe
der Bischöfe. Die haben in der katholischen Kirche gesetzgeberische
Gewalt und können somit für ihre Diözesen auch das kirchliche
Arbeitsrecht regeln. Der Augsburger Bischof Walter Mixa hat von diesem
Recht als Erster spektakulären Gebrauch gemacht - ein Beispiel,
das die Generaloberin den übrigen Bischöfen ausdrücklich
zur Nachahmung empfiehlt. Denn ihr geht es ums Ganze: "Kirche
ist ohne caritative Einrichtungen nicht zukunftsfähig und würde
ohne sie vielleicht nicht mehr wahrgenommen", warnt die Ordensfrau.
Das kirchliche Arbeitsrecht müsste darin allerdings neu definiert
werden. Die Kirche könne auch ohne AVR leben, sagt Schwester Basina. "Davon
würde die Kirche nicht untergehen."