Norbert Feldhoff
Brief des Vorsitzenden der Arbeitsrechtlichen Kommission vom 15.12.2000
Anmerkung: Folgenden Brief sandte Herr Generalvikar Feldhoff Mitte
Dezember an die Mitglieder der Arbeitsrechtlichen Kommission. Das Einverständnis
liegt vor, dass sein Schreiben auch über die AK hinaus veröffentlicht
werden kann, damit das Thema einer Weiterentwicklung der AVR auch für
Dritte, die nicht der Arbeitsrechtlichen Kommission angehören,
verständlich wird.
Nach den Inhalten des letzten AK-Infos
und des letzten Dienstgeberbriefes
sollen alle Interessierten auch den "Hintergrund" dieser ersten Positionen
der Dienstnehmervertreter und Dienstgebervertreter zur Kenntnis erhalten.
An die
Vertreter der Mitarbeiter und der
Dienstgeber sowie deren Stellvertreter
in der Arbeitsrechtlichen Kommission
des Deutschen Caritasverbandes
Entwicklung der AVR in den kommenden zwei Jahren
Sehr geehrte Damen und Herren,
Sie haben durch mehrere Beschlüsse in der Sitzung
unserer Kommission am 13. September 2000 die Vereinbarungen des öffentlichen
Dienstes zur Vergütungsrunde 2000 für den Caritasbereich übernommen.
Damit liegt die Vergütungsentwicklung bis zum Oktober 2002 fest.
Als Vorsitzender der Kommission bitte ich Sie, die
kommenden zwei Jahre, in denen keine Beratungen über Vergütungssteigerungen
stattfinden, für grundsätzliche Überlegungen zur weiteren
Entwicklung der AVR zu nutzen.
Sie wissen besser als ich, dass die AVR in unserem
Verband verschiedentlich in Frage gestellt werden, weil Entwicklungen
außerhalb von Kirche und Caritas die Finanzierung unserer Dienste
und Einrichtungen erschweren. Bis vor wenigen Jahren wurde der Sozialbereich
relativ problemlos finanziert. Vor dem Hintergrund eines tendenziell
stagnierenden wirtschaftlichen Wachstums und insbesondere neuer ordnungspolitischer
Vorstellungen nehmen jedoch in der Politik kosten- und wettbewerbspolitische
Überlegungen zu. Konkret müssen wir leider feststellen, dass
die Aufwendungen vieler Einrichtungen von den Kostenträgern immer
mehr "gedeckelt" werden. Einige Bereiche müssen mit privatgewerblichen
Anbietern konkurrieren, die durch eine niederere Vergütung ihrer
Mitarbeiter Druck auf die Preise dieser Dienste ausüben.
Wenn ich in die Zukunft sehe, wird im sozialen Bereich
eine stärkere Finanzierung des Bedarfs einzelner Hilfesuchender
angestrebt. Insbesondere im Bereich der Pflegeversicherung wird sich
wohl eine sog. Subjektfinanzierung durchsetzen. Dies macht die Kalkulation
für die betroffenen Einrichtungen schwieriger. In anderen Bereichen
wird der Wettbewerb dadurch zunehmen, dass die Refinanzierungsträger
soziale Leistungen ausschreiben und der günstigste
Anbieter den Zuschlag bekommt. Und nicht zuletzt
stehen wir im Krankenhausbereich durch die Einführung neuer Refinanzierungsbedingungen
vor möglicherweise grundliegenden Veränderungen.
Die Strategie der Politik scheint darauf abzuzielen,
durch Budgetierungen sozialer Leistungen die öffentlichen Ausgaben
zu begrenzen und neue ordnungspolitische Bedingungen gegenüber
den sozialen Leistungserbringern durchzusetzen.
Vor diesem Hintergrund ist es verständlich,
dass in unseren mitarbeiterintensiven Diensten die Arbeitsbedingungen
der AVR in den Mittelpunkt des verbandlichen Interesses rücken.
Natürlich brauchen wir als Verband nicht alle
Entwicklungen der Politik klaglos hinzunehmen. Allerdings müssen
wir leider auch feststellen, dass die Regierenden in Bund und Ländern
derzeit andere Prioritäten, wie den Schuldenabbau der öffentlichen
Haushalte oder die Beitragssenkung in der Sozialversicherung, setzen
als die Ausgestaltung oder gar den Ausbau des Sozialbereichs.
Deshalb sollten wir als Mitglieder der Kommission,
auch gegenüber unseren innerverbandlichen Kritikern, das Heft des
Handelns in die Hand nehmen.
Konkret schlage ich Ihnen vor, dass Sie sich als
Mitglieder der Kommission in einem ersten Schritt gemeinsam auf Eckpunkte
verständigen, die in der Arbeitsrechtlichen Kommission und innerhalb
der AVR bestehen bleiben sollen. Solche Eckpunkte können politische
Grundsätze, wie beispielsweise die bundesweite Verbindlichkeit
der AVR, Handlungsmaximen, von denen sich die Kommission leiten lässt,
aber auch ganz konkrete Regelungen in den AVR sein. Diese Eckpunkte
sollten die gemeinsame Basis für das weitere Handeln der Kommission
bilden.
Gleichzeitig sollten Sie sich gemeinsam auf solche
Themen einigen, die in den nächsten zwei Jahren weiterentwickelt
werden sollen, um den Bestand und de Anerkennung der AVR auch in der
Zukunft zu sichern. Dabei kann es zunächst weniger um die Formulierung
konkreter Regelungen gehen, sondern um die Benennung der Bereiche, von
denen Sie gemeinsam der Überzeugung sind, dass ein Änderungsbedarf
beraten werden sollte.
Diese Eckpunkte des gemeinsamen Handelns und diese
Themen einer Weiterentewicklung könnten aus meiner Sicht bis zur
Sitzung der Arbeitsrechtlichen Kommission am 11. Oktober 2001 in Bad
Honnef festliegen.
In einem zweiten Schritt schlage ich Ihnen vor, diese
Eckpunkte und Themen zu konkretisieren. Dabei geht es darum, die Gemeinsamkeiten
der Kommission durch Formulierung der Eckpunkte in den Verband hinein
zu betonen und die Handlungsfähigkeit der Kommission durch Beratung
von Regelungen zu den festgelegten Themen zu beweisen.
Diese Phase sollte jedenfalls nach meiner Vorstellung
bis zur Sitzung der Kommission am 20. Juni 2002 abgeschlossen sein.
Am Ende sollten Ergebnisse stehen, die die AVR als
bundesweite Arbeitsvertragsordnung erhalten, spezifische Regelungen
für die caritativen Einrichtungen und ihre finanziellen Situation
schaffen und angemessenen Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter sichern.
Ich hoffe, dass wir auf diesem vorgeschlagenen Weg
zu einem gemeinsam getragenen Handeln im bereich der AVR kommen. Lassen
Sie uns nicht die Augen verschließen vor den möglichen und
notwendigen Veränderungen, lassen Sie uns aber auch diese mit Augenmaß
und Verantwortung für Kirche und Caritas angehen.
Ich sende Ihnen diesen Brief bewusst noch im alten
Jahr, um Ihnen Gelegenheit zu geben, auf Ihren jeweiligen Jahrestagungen
darüber zu beraten.
Heute wünsche ich Ihnen die Freude und den Segen
des Weihnachtsfestes und einen guten Start ins neue Jahr.
Mit freundlichen Grüßen
gez.
Norbert Feldhoff